Q&A: Bieterfragen und Rügen

Disclaimer: Bei den in diesem Fragenkatalog erteilten Auskünften handelt es sich um rechtlich unverbindliche Hinweise.

Fragenkatalog

Eine solche Absprache wäre nicht automatisch ein Problem, da es ja auch sein kann, dass die Bieter planen, in zulässiger Weise ein gemeinsames Angebot abzugeben (z.B. als Bietergemeinschaft oder in einer Nachunternehmerkonstellation) und zum Zeitpunkt der Fragestellung noch nicht klar ist, wer genau später in der Rolle des Bieters bzw. des geschäftsführenden Bietergemeinschaftsmitglieds auftritt. Oder es handelt sich um konzernverbundene Unternehmen, die noch nicht entschieden haben, welches Konzernunternehmen das Angebot abgeben soll. Geben am Ende jedoch tatsächlich beide Bieter getrennt voneinander (vorgeblich unabhängige) Angebote ab, sollte allerdings genau geschaut werden, ob diese Angebote nicht ggf. ebenfalls Anhaltspunkte für Absprachen aufweisen. Falls ja, kann dies einen Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB darstellen.

Eine Bieternachricht als Rüge einzuordnen, kann sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Nachteilig kann sein, dass nach der Einordnung einer Nachricht als Rüge später nur noch schwer argumentiert werden kann, der Bieter habe einen erkennbaren oder gar erkannten (vermeintlichen) Vergabefehler nicht ordnungsgemäß gerügt (sondern eben „nur“ Fragen hierzu gestellt). Denn der AG hat ja durch seine Reaktion dokumentiert, dass er die Nachricht sehr wohl nicht bloß als Frage, sondern als Rüge verstanden und eingeordnet
hat. Als Vorteil kann aber gelten, dass es den Bieter unter Zugzwang setzt, seine Nachricht als Rüge aufzufassen und dieser nicht abzuhelfen, da der Bieter dann innerhalb kürzester Zeit entscheiden muss, ob er mit seinem Anliegen vor die Vergabekammer gehen möchte oder nicht. Reicht der Bieter nicht innerhalb von 15 Kalendertagen entsprechend § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein, ist der Bieter mit der Geltendmachung des Verstoßes präkludiert, d.h., er kann sich nicht noch einmal auf diesen berufen.

Zusätzlicher Hinweis im Nachgang zum Webinar: Mit der Abgrenzungsproblematik „Frage versus Rüge“ hat sich kürzlich auch die VK Bund mit sehr lesenswertem Beschluss vom 08.05.2024 (VK 2-35/24) beschäftigt. Auch nach der Auffassung der VK Bund ist grundsätzlich zwischen Bieterfragen und Rügen zu differenzieren. Die VK Bund führt hier u.a. aus, dass eine reine Bieterfrage keine Rüge darstelle. Eine Rügenotwendigkeit werde im Regelfall erst durch die Antwort des Auftraggebers auf eine Frage ausgelöst. Abzustellen sei jedoch stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls.

Eine Rüge darf nicht anonym erhoben werden (OLG Celle, Beschl. v. 25.08.2005,13 Verg 8/05). Es wird jedoch als ausreichend erachtet, wenn der rügende Bieter, also das Bieterunternehmen, erkennbar ist. D.h., es kommt nicht auf die Person des Erklärenden an. Grund ist die Formfreiheit der Rüge. Sie muss nicht schriftlich und auch nicht in Textform i. S. d. § 126b BGB erhoben werden.

Ein einzelnes Mitglied einer Bietergemeinschaft kann einen Vergaberechtsverstoß nicht wirksam rügen (vgl. schon OLG Dresden, Beschl. v. 23.07.2013, Verg 4/13). Vielmehr müssen alle Mitglieder der Bietergemeinschaft gemeinsam rügen. Sofern ein Mitglied als Vertreter der Bietergemeinschaft bestellt ist, kann auch dieser die Rüge mit Vollmacht und im Namen der Bietergemeinschaft erheben. Diese Konstellation muss aber offen gelegt werden (also keine „versteckte Stellvertretung“).

Der richtige Umgang mit einer sehr kurz gesetzten Frist hängt davon ab, ob ein nachvollziehbarer Grund für die Kürze der Frist vorliegt oder nicht. Wird die Rüge kurz vor dem angegebenen Zuschlagstermin erhoben und droht somit Gefahr, dass die 10-tägige Wartefrist entsprechend § 134 Abs. 2 S. 2 GWB abläuft, ist eine kurze Fristsetzung nachvollziehbar. Um auch in solchen Situationen ausreichend Zeit zur Prüfung der Rüge zu erhalten, empfiehlt es sich, dem Bieter verbindlich zuzusichern, dass der Zuschlag verschoben und erst nach Beantwortung der Rüge und Ablauf einer anschließenden, angemessenen Frist (z.B.: Drei Werktage) erteilt wird. Besteht hingegen kein Grund für eine sehr kurze Frist, weil bspw. die Angebotsfrist erst in ein paar Wochen ausläuft, kann relativ entspannt auf die Rüge reagiert werden. Angemessen wäre es, höflich zu antworten, dass die Frist nicht eingehalten werden kann und man sich ausreichend Zeit nehmen wird, um die Rüge zu prüfen. Ergänzend könnte die Antwort noch den Hinweis enthalten, dass eine korrekte und somit etwas zeitintensivere Prüfung auch im Interesse des Bieters sei.

Die Antwort auf eine Bieterfrage muss grundsätzlich an alle Bieter weitergeleitet werden, damit alle Bieter den gleichen Informationsstand haben. Dies ist eine Ausprägung des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebots, welches es im Vergabeverfahren stets zu wahren gilt (vgl. § 97 Abs. 2 GWB). Um nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot zu verstoßen, sollten im Grundsatz auch sämtliche Rügen und die Antworten hierauf bekannt gemacht werden, zumal diese häufig das Ziel verfolgen, den Markt „schlau“ zu machen. Enthält die Rüge bzw. die Antwort hierauf wesentliche Informationen für die Kalkulation, muss diese Information im Übrigen schon deshalb gegenüber allen Bietern bekannt gemacht werden.
Um nicht Gefahr zu laufen, gegen ein Grundprinzip des Vergaberechts zu verstoßen, sollten grundsätzlich sämtliche Informationen mit allen Bietern im gleichen Maße geteilt werden. Allerdings kann der Text einer Rüge abgekürzt/prägnant zusammengefasst werden, wenn dadurch keine wesentlichen Informationen verloren gehen. Außerdem kann der rügende Bieter hinsichtlich der Antworten auf seine Rügen auch auf die allgemeine Bieterinformation verwiesen werden. Dabei bietet sich dann eine Formulierung an, wonach, soweit den Rügen über die Bieterinformation nicht abgeholfen worden ist, diese Rügen als zurückgewiesen gelten.

Die Frist muss immer für alle Bieter gleich lang sein. Es ist aber nicht verboten, auf Bitte eines einzelnen Bieters die Frist (für alle!) zu verlängern. Die Verlängerung kommt in diesem Fall schließlich allen interessierten Unternehmen zugute. Außerdem besteht die berechtigte Erwartung, dass bei einer längeren Frist regelmäßig mehr und/oder bessere Angebote abgegeben werden. Mehr Angebote wirken sich wiederum positiv auf den Wettbewerb und auf den Markt aus, was durch das Vergaberecht ja gerade gefördert werden soll.

Wenn die Frage tatsächlich „belanglos“ ist, spricht viel dafür, dass die Antwort auch keine zusätzlichen Informationen enthalten wird, die für die Angebotserstellung relevant wären bzw. berücksichtigt werden müssten. In solchen Fällen, ist regelmäßig dazu zu raten, die Antwort zu erteilen, aber an der ursprünglichen Frist festzuhalten. Ist eine inhaltliche Antwort noch vor Ablauf der Angebotsfrist zeitlich nicht zu leisten, kann es ggf. auch bereits ausreichen, nur einen Einzeiler zurückzuschicken mit der Information, dass die Fragefrist abgelaufen und die Frage im Übrigen nicht relevant für das Verfahren sei. Beinhaltet die erbetene Antwort hingegen wesentliche Informationen, bspw. solche, die für die Kalkulation wichtig sind, ist zu empfehlen, die Antwort zu erteilen und gleichzeitig die Frist zu verlängern. Vergleiche dazu auch Folie 49 sowie – ganz aktuell – BayObLG, Beschl. v. 01.08.2024, Verg 19/23.

Möchte die Vergabestelle einer Rüge nicht abhelfen, muss sie nicht exakt den Wortlaut des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB verwenden, da die Antwort der Vergabestelle vor der Vergabekammer ausgelegt wird. Trotzdem ist es zu empfehlen, von einer „Nichtabhilfemitteilung“ zu sprechen bzw. ausdrücklich den Begriff des „nicht Abhelfens“ zu verwenden.
Nach der aktuellen Rechtsprechung ist es im Übrigen auch nicht notwendig, in der Rügeantwort ausdrücklich auf die Frist aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB hinzuweisen. Es wird als ausreichend betrachtet, wenn der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung auf die Frist hingewiesen hat. Auf keinen Fall darf aber eine falsche Fristangabe bzw. Rechtsbehelfsbelehrung erfolgen. Ansonsten kann der Bieter im Zweifel fristungebunden seine Rüge vor der Vergabekammer weiterverfolgen.

Ein bloßer Hinweis auf die Frist in den Vergabeunterlagen reicht nicht aus. Der Hinweis auf die Rügefrist und die Frist zur Einreichung des Nachprüfungsantrags muss vielmehr in der Auftragsbekanntmachung enthalten sein. Wird auf die Frist entsprechend § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB nicht hingewiesen, fängt diese nach Erhalt einer Nichtabhilfemitteilung nicht zu
laufen an. Der Nachprüfungsantrag ist somit selbst dann noch zulässig, wenn er Wochen oder Monate nach Erhalt einer Nichtabhilfemitteilung bei der Vergabekammer eingereicht wird.

Erhält der Bieter auf seine Rüge keine Reaktion der Vergabestelle, kann er jederzeit vor die Vergabekammer ziehen, bis der Zuschlag wirksam erteilt wurde.

Nein. Nach der Rechtsprechung genügt es sogar, zeitgleich eine Rüge und einen Nachprüfungsantrag zu versenden. Es ist Bietern jedoch im Grundsatz (d.h. immer, wenn dies nicht zu einer Vereitelung des Rechtsschutzes führen würde) zu empfehlen, dem öffentlichen Auftraggeber eine solche Frist zu gewähren, da ansonsten das Kostenrisiko für den Fall, dass der öffentliche Auftraggeber der Rüge abhilft, beim Bieter liegt.

Nein. Der Versand einer Nichtabhilfemitteilung führt nicht zu einer Aussetzung der Wartefrist nach § 134 Abs. 2 S. 1 GWB. Der Zuschlag kann also trotz zwischenzeitlicher Rüge (und ggf. Nichtabhilfe) nach Ablauf der (ursprünglichen) Wartefrist erteilt werden.

Grundsätzlich kann ein einmal erteilter Zuschlag nicht aufgehoben und somit auch nicht mittels Nachprüfungsantrag angegriffen werden. Etwas anderes gilt nur in Fällen einer sog. De-facto-Vergabe bzw. im Falle einer fehlenden oder fehlerhaften Vorabinformation i.S.d. § 134 GWB (vgl. § 135 Abs. 1, 2 GWB).

Ist die Frage relevant und wurden bereits Angebote abgegeben, muss – falls notwendig – die Angebotsfrist verlängert werden. Es muss zudem den Bietern, welche bereits ein Angebot abgegeben haben, die Möglichkeit eingeräumt werden, ein neues, die neuen Informationen berücksichtigendes Angebot abzugeben.

Ausgehend vom Bundesrecht gilt: Eine Rechtsbehelfsfrist ist im Unterschwellenbereich nicht notwendig, da das GWB nicht für die Unterschwellenvergabeordnung („UVgO“) gilt. Landesspezifische Besonderheiten sind separat zu betrachten.

Bieterfragen werden nicht automatisch Vertragsbestandteil; sie können jedoch in jedem Fall zur Auslegung des Vertrags herangezogen werden. Wenn die Bieterfragen und - antworten „echter“ Vertragsbestandteil werden sollen, besteht die Möglichkeit, dies im Vertrag bzw. den Vergabeunterlagen ausdrücklich zu regeln.

Im Rahmen der Unterschwellenvergabe muss einem Bieter, dessen Rüge nicht abgeholfen wurde, nicht mitgeteilt werden, dass nun der Weg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet
ist. Auch eine Verzichtserklärung mit Fristsetzung ist nicht nötig.

Grundsätzlich kann sich ein Bieter nicht auf die Rüge eines anderen Bieters berufen und direkt einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer stellen. Eine erneute Rüge innerhalb der Fristen des § 160 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 GWB ist daher aus Bietersicht regelmäßig´anzuraten.
Hat ein anderer Bieter einen identischen Vergabeverstoß bereits erfolglos gerügt, kann jedoch im Einzelfall ggf. der Gedanke naheliegen, dass eine erneute Rügeobliegenheit deshalb nicht besteht, weil davon auszugehen ist, dass ein Auftraggeber seine Meinung aufgrund einer identischen Beanstandung eines anderen Bieters ebenfalls nicht ändern wird. Exakt dieselbe Rüge noch einmal erheben zu müssen, obwohl die Vergabestelle dieser bereits einmal nicht abgeholfen hat, könnte in solchen Fällen als bloße „Förmelei“ auch dem Beschleunigungsgebot aus § 167 GWB widersprechen. Allerdings muss der betreffende Bieter dann wohl tatsächlich § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB gegen sich gelten lassen, auch wenn es nicht seine eigene Rüge ist, der nicht abgeholfen wurde.

Im Sinne des Transparenz- und Gleichbehandlungsgebots sollten auch bei einer Nichtabhilfe alle Bieter informiert werden. Siehe auch schon oben.

Ob ein Verfahren aufgehoben werden kann oder nicht, wird beispielsweise in § 63 Vergabeverordnung („VgV“) oder § 17 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A („VOB/A“) geregelt. Liegt keiner der in den Vergabeordnungen genannten Aufhebungsgründe vor, liegt eine rechtswidrige Aufhebung vor. Dies kann durchaus gerügt werden. Weist der Auftraggeber die Rüge zurück, ist der Weg zu einem Nachprüfungsverfahren eröffnet. In dieser Situation ist der Nachprüfungsantrag jedoch nur dann statthaft, wenn dieser sich gegen die Aufhebung richtet und auf die Fortsetzung des Vergabeverfahrens abzielt. Hilfsweise kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung begehrt werden. Außerdem besteht für den Bieter die Möglichkeit, vor den ordentlichen Gerichten Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Nein, nach Ablauf der Angebotsfrist in der Wertungsphase müssen Rügen und Nichtabhilfemitteilungen den anderen Bietern nicht zur Kenntnis gegeben werden. Dies ist auch in der Praxis nicht üblich.