Vergabereport Teil 4: Auffindbarkeit und Passgenauigkeit öffentlicher Ausschreibungen

Wie häufig suchen Unternehmen auf Vergabeplattformen nach öffentlichen Ausschreibungen und welche Filteroptionen sind für sie bei der Suche besonders relevant? Im 5. Teil unserer Serie beleuchten wir die Antworten, die uns Unternehmen im Rahmen des Vergabereport 2024 gegeben haben.

 


Sollten Sie Teil 1 mit dem Fokus auf Innovationskraft und Marktperspektiven noch nicht gelesen haben, finden Sie diesen hier. Teil 2 handelte von der Bedeutung des öffentlichen Sektors als Kundensegment und kann hier gelesen werden. In Teil 3 haben wir die Selbsteinschätzung der Unternehmen zu ihrem Wissen über Beschaffungsprozesse behandelt. Das lesen Sie hier. Und in Teil 4 haben wir uns der Auffindbarkeit und Passgenauigkeit öffentlicher Ausschreibungen gewidmet.


 

Ein beachtlicher Anteil der Unternehmen (29 %) gab an, wöchentlich nach passenden Ausschreibungen zu suchen (s. Abbildung 16). Sogar täglich recherchieren 24 % der Unternehmen, während 16 % dies zumindest monatlich tun. Diese Zahlen legen nahe, dass ein Großteil der Unternehmen regelmäßig aktiv nach Ausschreibungen sucht, was auf ein signifikantes Interesse hindeutet.

Die regelmäßige Suche nach Ausschreibungen kann verschiedene Gründe haben. Einerseits kann die Notwendigkeit bestehen, neue Ausschreibungen rechtzeitig zu finden, um alle notwendigen Unterlagen und Nachweise zusammenzustellen und das Angebot fristgerecht einreichen zu können. Andererseits kann die regelmäßige Suche auch dazu dienen, sich einen Überblick über aktuelle Ausschreibungen zu verschaffen, um potenzielle Chancen zu identifizieren.

Rund 14 % der Unternehmen suchen nur ab und zu im Jahr nach Ausschreibungen, während 11 % ein Alert-System auf mindestens einer der Vergabeplattformen verwenden, um benachrichtigt zu werden, wenn relevante Ausschreibungen veröffentlicht werden.

Dies deutet darauf hin, dass einige Unternehmen eher auf automatische Benachrichtigungen setzen, anstatt regelmäßig selbst zu suchen. Ein sehr kleiner Anteil, nämlich 2 %, gibt an, nie nach Ausschreibungen zu suchen. Weitere 5 % der Unternehmen haben keine Antwort auf diese Frage gegeben.

Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Nutzungshäufigkeit von Vergabeplattformen stark variiert. Während ein großer Teil der Unternehmen aktiv und regelmäßig sucht, gibt es auch solche, die seltener oder gar nicht aktiv nach Ausschreibungen recherchieren. Dies könnte darauf hindeuten, dass der Zugang und die Benutzerfreundlichkeit der Plattformen verbessert werden könnten, um mehr Unternehmen zu regelmäßigen Nutzern zu machen.

 

Abbildung 16: Wie häufig recherchieren Sie auf Vergabeplattformen nach passenden öffentlichen Ausschreibungen?

Abbildung 16: Wie häufig recherchieren Sie auf Vergabeplattformen nach passenden öffentlichen Ausschreibungen?


Die Erkenntnisse aus dieser Analyse unterstreichen die Bedeutung einer zentralen und benutzerfreundlichen Ausschreibungsplattform, wie in den vorherigen Analysen [Link zu Teil 4] empfohlen.

Eine solche Plattform würde nicht nur die Suche nach passenden Ausschreibungen erleichtern, sondern könnte auch durch automatische Benachrichtigungsfunktionen die Effizienz der Recherche erhöhen. Dies ist besonders wichtig für kleinere Unternehmen und Startups, die möglicherweise nicht die Ressourcen haben, um täglich oder wöchentlich manuell nach Ausschreibungen zu suchen.

Durch die Implementierung einer solchen Plattform könnten die Barrieren für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen gesenkt und der Wettbewerb gestärkt werden, was letztlich zu besseren und vielfältigeren Angeboten für öffentliche Auftraggeber führen würde.

 

Wichtige Filteroptionen auf Vergabeplattformen

Die nachstehende Auswertung zeigt, welche Filtermöglichkeiten Unternehmen als besonders hilfreich bewerten, wenn sie auf Vergabeplattformen nach passenden öffentlichen Ausschreibungen suchen (s. Abbildung 17 und Abbildung 18).

Eine der Filtermöglichkeiten stellt der CPV-Code dar. Er steht für das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (Common Procurement Vocabulary) und wird bei EU-Vergabeverfahren von öffentlichen Auftraggebern zur Beschreibung des Auftragsgegenstandes verwendet. 

Der von der EU vorgegebene CPV-Katalog hat eine begriffliche Harmonisierung der Zuordnung von Tätigkeitsfeldern zwischen den EU-Staaten zum Ziel, wodurch die zu vergebende Leistung in allen EU-Staaten gleichermaßen beschrieben und verständlich sind. Die Auswahl möglichst passender CPV-Codes durch die öffentlichen Auftraggeber hilft Bietern, passende Ausschreibungen schneller und präziser zu finden.

Der Erfüllungsort gibt in Ausschreibungen an, wo der Auftrag im Wesentlichen umzusetzen ist. Für Lieferungen ist der Erfüllungsort beispielsweise der oder die Anlieferungsort(e) und für Dienstleistungen der oder die Ausführungsort(e). Dies ist insbesondere für ausländische Unternehmen von Bedeutung.

Sie müssen die Wege- und Transportkosten sowie weitere Kosten, z. B. für die Bereitstellung von Arbeitskräften und Arbeitsmitteln, einkalkulieren, um abzuschätzen, ob sich die Auftragsausführung für sie lohnt. Der Erfüllungsort kann sowohl mittels sogenannten NUTS-Codes als standardisierte Ortsangabe, als auch durch eine exakte Ortsangabe mit Adresse angegeben werden.

 

Filter nach Auftragswert: Wichtige Orientierungshilfe für Unternehmen

Potenzielle Aufträge lassen sich außerdem anhand des Gesamtauftragswerts filtern, der im Vorfeld von den öffentlichen Auftraggebern geschätzt wird. Der voraussichtliche Auftragswert entscheidet u. a. darüber, welche Vergabeverfahren anzuwenden sind.

Neben dem wirtschaftlichen Nutzen kann eine Orientierung anhand des Auftragswerts für Unternehmen relevant sein, da von dessen Höhe abhängt, welche Verfahrensregeln anzuwenden sind und welcher Aufwand auf die Bieter zukommt.

Liegt der vom Auftraggeber geschätzte Wert unterhalb der gesetzlich festgelegten Schwellenwerte, ist das nationale Vergaberecht anzuwenden. Übersteigt der Auftragswert die in EU-Richtlinien festgelegten Schwellenwerte, müssen die Aufträge europaweit ausgeschrieben werden.

 

Bedeutung der Verfahrenswahl: Flexible Verfahren und Unterschwellenaufträge als Chance für Startups und innovative KMU

Die gewählte Verfahrensart impliziert signifikante Implikationen für die Unternehmen hinsichtlich des Aufwands und der Erfolgschancen bei öffentlichen Ausschreibungen. Für Startups und innovative KMU können sich insbesondere flexible, innovative Verfahren (z. B. Innovationspartnerschaft) und Aufträge im Unterschwellenbereich eignen.

Diese sind häufig auf kommunaler Ebene verortet und weisen ein geringeres Auftragsvolumen auf. Allerdings sind sie in der Regel auch mit geringeren Anforderungen und formalen Vorgaben verbunden.

 

Abbildung 17: Wenn wir nach öffentlichen Ausschreibungen auf Vergabeplattformen suchen, die für unsere Leistungen und Produkte passend sind, sind folgende Filtermöglichkeiten für uns besonders hilfreich? (Unternehmen mit Erfahrung)

Abbildung 17: Wenn wir nach öffentlichen Ausschreibungen auf Vergabeplattformen suchen, die für unsere Leistungen und Produkte passend sind, sind folgende Filtermöglichkeiten für uns besonders hilfreich? (Unternehmen mit Erfahrung)

 

Beim CPV-Code (Common Procurement Vocabulary) zeigten sich geteilte Einschätzungen der Umfrageteilnehmer: 28,57 % der Unternehmen stimmten gar nicht und 22 % stimmten eher nicht zu, dass diese Codes bei der Ausschreibungssuche hilfreich sind. Im Gegensatz dazu stimmten 21 % eher und 8 % voll und ganz zu. Dies könnte darauf hinweisen, dass nicht alle Unternehmen mit der Verwendung von CPV-Codes vertraut sind oder diese als zu technisch empfinden.

Der Erfüllungsort wird von einer größeren Anzahl der Unternehmen als hilfreich betrachtet: 24 % stimmten eher zu und 13 % voll und ganz. Dennoch gibt es auch hier kritische Stimmen: 21 % stimmten gar nicht und 19 % eher nicht zu. Die Diskrepanz könnte auf branchenspezifische Unterschiede zurückgeführt werden. Während einige Dienstleistungen direkt vor Ort ausgeführt werden müssen, können viele Services beispielsweise aus dem IT-Bereich ortsunabhängig angeboten werden, sodass der Erfüllungsort als Filtermöglichkeit keine Bedeutung hat.

Beim Gesamtauftragswert zeigt sich eine ähnliche Verteilung: 25 % stimmten eher zu und 13 % voll und ganz, während 22 % der Unternehmen gar nicht zustimmten und 22 % eher nicht. Dies deutet darauf hin, dass der Gesamtauftragswert zwar eine wichtige Rolle spielt, jedoch möglicherweise nicht der entscheidende Faktor für alle Unternehmen ist.

Die Art des Verfahrens wird ebenfalls unterschiedlich bewertet: 22 % stimmten eher zu und 14 % voll und ganz, aber auch 14 % stimmten gar nicht zu und 25 % eher nicht zu. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Verfahrenstypen nicht immer klar genug definiert oder relevant für alle Unternehmen sind. Möglicherweise sind ihnen die Unterschiede und Vor- und Nachteile der verschiedenen Typen nicht bekannt.

 

Abbildung 18: Wenn wir nach öffentlichen Ausschreibungen auf Vergabeplattformen suchen, die für unsere Leistungen und Produkte passend sind, sind folgende Filtermöglichkeiten für uns besonders hilfreich? (Unternehmen mit Erfahrung)

Abbildung 18: Wenn wir nach öffentlichen Ausschreibungen auf Vergabeplattformen suchen, die für unsere Leistungen und Produkte passend sind, sind folgende Filtermöglichkeiten für uns besonders hilfreich? (Unternehmen mit Erfahrung)

 

Die Filterung nach Leistungen und Fristen wird von den Befragten erwartungsgemäß als der weitaus relevanteste Faktor angegeben.

Die Mehrheit der befragten Unternehmen gab an, dass die ausgeschriebenen Leistungen, wie beispielsweise Bauleistungen (VOB) oder Liefer- und Dienstleistungen (VgV/UVgO), ausschlaggebend für das Auffinden relevanter öffentlicher Ausschreibungen sind. Insgesamt stimmten 29 % dieser Aussage eher zu und 32 % voll und ganz. Dies veranschaulicht, dass die präzise Spezifikation der geforderten Leistungen von essenzieller Bedeutung ist, um die Eignung der Ausschreibung adäquat beurteilen zu können.

Ebenso sind die angegebenen Fristen (z. B. Veröffentlichungsdatum, Einreichungsfrist) für viele Unternehmen ein wichtiger Filter. Diesbezüglich stimmten 29 % eher zu und 29 % voll und ganz, was die Bedeutung der rechtzeitigen Information über Ausschreibungen unterstreicht. Dennoch gibt es auch hier Unternehmen, die die Fristen nicht als so entscheidend ansehen (rund 17 % stimmten (eher) nicht zu).

Die Alert-Einstellungen werden von den Befragten als drittwichtigster Faktor für das Finden von öffentlichen Ausschreibungen erachtet. 21 % der Befragten stimmten dieser Aussage eher zu, 22 % sogar voll und ganz. Die genannten Einstellungen ermöglichen es Unternehmen, automatisch über relevante Ausschreibungen informiert zu werden, was den Aufwand für die manuelle Suche reduziert. Allerdings äußerten auch 11 % der Unternehmen, dass sie diese Funktion als nicht hilfreich empfinden. Das Resultat belegt dennoch einen signifikanten Nutzen, sobald die Verwendung von Alert-Einstellungen in die Bekanntmachungsstrategien integriert wird.

Diese Analyse verdeutlicht, dass die unterschiedlichen Filtermöglichkeiten von den Unternehmen verschieden bewertet werden. Während die Stichwortsuche offensichtlich ein wichtiger Aspekt ist, fehlen dazu konkrete Daten. Andere Filter wie CPV-Codes und Gesamtauftragswert stoßen auf geteilte Meinungen. Dies zeigt, dass die Bedürfnisse und Prioritäten der Unternehmen variieren, was die Gestaltung benutzerfreundlicher und flexibler Vergabeplattformen besonders wichtig macht.

 

Stichwortuche, Budget und Ort als zentrale Filter bei der Ausschreibungssuche

Gründe für diese Zuteilung werden durch die qualitative Auswertung der freien Antworten zur Frage "Welche Filtermöglichkeiten sind bei der Suche nach öffentlichen Ausschreibungen besonders hilfreich?" unterstrichen. Am häufigsten wurde hierbei als Filtermöglichkeit eine treffsichere Stichwort- oder Schlagwortsuche genannt. Ebenso wurden Filter nach Budget und Ort mehrfach als essenziell erachtet. Eine Volltextsuche, die das gesamte Dokument durchsucht, wurde ebenfalls mehrfach genannt.

Erwähnung fanden auch Filtermöglichkeiten für Produktgruppen, insbesondere solche, die nicht eindeutig in CPV-Klassen eingeordnet werden können. Zudem sollten innovative Leistungen besser kategorisiert werden.

Zur Veranschaulichung werden hier drei der ausführlicheren Antworten aufgeführt:

“Treffsichere Schlagwortsuche (z.B. Cloudinfrastruktur, Cloudportal etc.), idealerweise mit semantischer Suche Ideal wäre für komplexeres innovatives Produkt wie unseres, wenn eine Behörde ihren Bedarf beschreibt und dann zu Pitchterminen einlädt, wo wir die Lösung vorstellen können, weil sie keine etablierte Kategorie bedient. Danach dann Aufforderung zur Angebotsabgabe.”

“Frei definierbare Stichworte, Nutzung verschiedener nationaler und internationaler Plattformen, Region (EU, CH, UK)”

„Innovative Leistungen passen größtenteils nicht in den aktuellen CPV-Codes und teilweise werden unsere Leistungen mit falschen Bezeichnungen ausgeschrieben.“

 

Die Auswertung der Antworten zur offenen Frage Warum hat Ihr Unternehmen noch nie an einer öffentlichen Ausschreibung teilgenommen?" im Rahmen des Fragebogens für die unerfahrenen Unternehmen bzw. Bieter zeigt mehrere zentrale Gründe, die die Teilnahme hemmen.

  1. Die Schwierigkeit, die richtigen Ausschreibungen zu identifizieren.
  2. Die Bürokratie
  3. Die geringen Chancen gegenüber großen Unternehmen.

 

Zudem wurden Unterbesetzung, fehlende Referenzen und mangelndes Wissen über die Teilnahme an Ausschreibungen als Hindernisse genannt. Schließlich merkte ein Unternehmen das Fehlen erfolgsversprechender Möglichkeiten und eingeschränkte Zugangsoptionen zu öffentlichen Ausschreibungen als Gründe für die Nichtteilnahme an. Hier zeigen sich die vielfältigen Möglichkeiten zur Unterstützung von Unternehmen.

 

Das könnte Sie auch interessieren

→ Kostenfreie Veranstaltungen für Unternehmen wie man erfolgreich an öffentlichen Ausschreibungen teilnimmt

→ Das KOINNO-Playbook mit Tipps zur Erschließung des öffentlichen Sektors