Vergabereport 2024 Teil 1: Innovationskraft und Marktperspektiven

Mit dem Vergabereport 2024 hat das KOINNO ein breites Stimmungsbild von Startups und KMU gegenüber der Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Sektor eingefangen. Wir haben darüber viel über die Erfahrungen von Unternehmen im Bereich der öffentlichen Beschaffung gelernt und möchten diese Erkenntnisse gerne mit Ihnen teilen.

 

Datenerhebung mittels Umfragen

Die Daten des Vergabereports basieren auf zwei sorgfältig konzipierten Umfragen, die speziell darauf abzielten, die unterschiedlichen Perspektiven von Unternehmen mit und ohne erfolgreiche Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zu erfassen.

Der erste Fragebogen richtete sich an Unternehmen, die bereits erfolgreich an öffentlichen Ausschreibungen teilgenommen haben. Der zweite, kürzere Fragebogen wurde für Unternehmen erstellt, die bisher keine erfolgreichen Erfahrungen mit öffentlichen Ausschreibungen gemacht haben. Die Unternehmen wählten selbst, welchen Fragebogen sie ausfüllen, basierend auf ihrer eigenen Einschätzung ihrer Erfahrungen.

Diese Selbsteinschätzung bildet die Grundlage für die folgenden Analysen und Ergebnisse. Für die bessere Verständlichkeit und Lesbarkeit unterscheiden wir die beiden Gruppen in den Grafiken als „ohne Erfahrung“ und „mit Erfahrung“.

 


Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie wir die Zuverlässigkeit dieser Selbsteinschätzungen geprüft haben, laden Sie sich gerne hier unseren vollständigen Bericht herunter.


 

Über die teilnehmenden Unternehmen

Insgesamt haben sich 92 Personen an der Umfrage für den Vergabereport 2024 beteiligt. Davon 63 Personen an der Umfrage für Unternehmen, die sich als erfahren einschätzen, und 29 Personen an der Umfrage für Unternehmen, die sich als unerfahren betrachten.

Ein bemerkenswerter Aspekt ist die Unternehmensgröße: In beiden Gruppen sind kleine Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten stark vertreten. Insgesamt sind es jeweils 70 % bzw. 72 % der befragten Unternehmen. Dies unterstreicht die Relevanz kleiner Unternehmen im Bereich der innovativen öffentlichen Ausschreibungen und ihre speziellen Herausforderungen und Bedürfnisse.

Grafik zur Frage: Wie groß ist Ihr Unternehmen?

Abbildung 2: Wie groß ist Ihr Unternehmen?

 

Die beiden Gruppen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Unterscheidung von Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen. Während beide Unternehmensgrößen in beiden Gruppen vertreten sind, zeigt sich bei der Auswertung des Fragebogens für erfahrene Unternehmensvertreter eine Dominanz der Gruppe der kleinen Unternehmen mit 11-50 Beschäftigten (46 %), während bei der Auswertung des Fragebogens für unerfahrene Unternehmen die Gruppe der Kleinstunternehmen mit 1-10 Beschäftigten mit rund 38 % die größte Gruppe bildet.

Dies wirft die Frage auf, inwieweit die (erfolgreiche) Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen für Kleinstunternehmen schwieriger ist. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch das Interesse dieser Gruppe an der innovativen öffentlichen Beschaffung.

 

In diesen Branchen sind die Teilnehmenden beheimatet

Ein Großteil der befragten Unternehmen in beiden Gruppen ist im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen tätig (s. Abbildung 3). Diese Kategorie dominiert das Feld, während weniger als fünf Unternehmen im Baugewerbe aktiv sind. In der Gruppe der Unternehmen, die sich als unerfahren einschätzen, war nur ein Unternehmen im Baugewerbe tätig.

Interessant ist, dass 17 % der Unternehmen, die sich als erfahren einstufen, die Option „Sonstiges“ wählten, was auf eine Vielzahl von Tätigkeitsbereichen hinweist, die möglicherweise nicht durch die Standardkategorien abgedeckt werden. Diese Vielfalt könnte darauf hindeuten, dass innovative öffentliche Beschaffung für ein breites Spektrum an Unternehmen relevant ist, die nicht unbedingt in die dem Vergaberecht entsprechenden Kategorien von Lieferungen, Dienstleistungen oder Baugewerbe fallen.

Grafik zur Frage: In welchem Bereich ist Ihr Unternehmen tätig?

Abbildung 3: In welchem Bereich ist Ihr Unternehmen tätig?

 

Zusammenhang zwischen Gründungsjahr und Erfahrung

Ein Blick auf die Gründungszeitpunkte der Unternehmen verdeutlicht einige interessante Unterschiede zwischen den Unternehmen, die sich als erfahren und unerfahren einschätzen (s. Abbildung 4):

In den letzten fünf Jahren: Es ist erkennbar, dass der Anteil der Unternehmen, die sich als unerfahren einschätzen, höher ist als der der Unternehmen, die sich als erfahren einschätzen. Dies könnte darauf hindeuten, dass jüngere Unternehmen noch dabei sind, Erfahrung im Bereich öffentlicher Ausschreibungen zu sammeln.

Vor 6-10 Jahren: Beide Gruppen sind hier ähnlich stark vertreten. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen, die vor 6-10 Jahren gegründet wurden, in etwa gleichermaßen Erfahrungen mit öffentlichen Ausschreibungen gesammelt haben oder noch sammeln möchten.

Vor mindestens 10 Jahren: Ein signifikanter Unterschied zeigt sich bei Unternehmen, die vor mindestens zehn Jahren gegründet wurden. Hier ist der Anteil der Unternehmen, die sich als erfahren einschätzen, deutlich höher (über 60 %). Dies könnte darauf hindeuten, dass etabliertere Unternehmen tendenziell mehr Erfahrung und Erfolg in der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen haben.

Grafik zur Frage: Wann wurde Ihr Unternehmen gegründet?

Abbildung 4: Wann wurde Ihr Unternehmen gegründet?
 

Unternehmensinnovation und Marktperspektiven

Die folgende Abbildung zeigt die Selbsteinschätzung der Innovationskraft von Unternehmen, die sich als erfahren oder unerfahren in der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen betrachten. Im Kontext der öffentlichen Beschaffung bezieht sich der Begriff „innovativ" auf die Einführung und Anwendung neuer Ideen, Technologien, Prozesse oder Produkte, die darauf abzielen, die Effizienz, Effektivität und Nachhaltigkeit der öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern.

Grafik zur Frage: Wie innovativ schätzen Sie die Leistungen und Produkte Ihres Unternehmens ein?

Abbildung 5: Wie innovativ schätzen Sie die Leistungen und Produkte Ihres Unternehmens ein?


Ein beträchtlicher Anteil der erfahrenen Unternehmen (44 %) bewertet sich als innovativ. Dies zeigt, dass eine große Anzahl dieser Unternehmen Vertrauen in ihre innovativen Fähigkeiten hat. Etwas mehr als ein Fünftel der erfahrenen Unternehmen schätzt sich als eher innovativ ein. Zusammengenommen ergibt dies, dass etwa 70 % der erfahrenen Unternehmen eine positive Selbsteinschätzung ihrer Innovationskraft haben.

Etwa 20 % der Unternehmen in dieser Gruppe bewerten ihre Innovationskraft mit „teils/teils“, was auf eine gemischte Einschätzung hindeutet. Nur ein kleiner Anteil (ca. 3 %) schätzt sich als eher nicht innovativ ein und lediglich 2 % bewerten sich als nicht innovativ.

Auch sich unerfahrener wahrnehmende Unternehmen bewerten sich zu 44 % als innovativ. Zusätzlich schätzt mit 28 % ein erheblicher Anteil dieser Unternehmen ihre Produkte und Leistungen als eher innovativ ein, was zeigt, dass auch hier eine positive Selbsteinschätzung vorherrscht.

Etwa 20 % der unerfahrenen Unternehmen bewerten ihre Innovationskraft als „teils/teils“. Keiner der Befragten dieser Gruppe stuft sein Unternehmen als eher nicht innovativ ein. Wie bei den erfahrenen Unternehmen gibt es auch hier nur einen kleinen Anteil (5,5 %), der sich als nicht innovativ bewertet.

 

Positive Selbsteinschätzung der eigenen Innovationskraft

Diese Ergebnisse zeigen, dass sowohl die hier als erfahren als auch unerfahren repräsentierten Unternehmen tendenziell eine positive Selbsteinschätzung ihrer Innovationskraft haben. Interessanterweise ist der Anteil der Unternehmen, die sich als innovativ einschätzen, in beiden Gruppen identisch. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Wahrnehmung der eigenen Innovationskraft nicht unbedingt von der Erfahrung im Bereich der öffentlichen Beschaffung abhängt.

Die Tatsache, dass sich nur sehr wenige Unternehmen als „nicht innovativ“ oder „eher nicht innovativ“ einstufen, unterstreicht die allgemein positive Sichtweise auf die eigenen Produkte und Leistungen.

Diese positive Selbsteinschätzung könnte auch die Motivation oder das Interesse dieser Unternehmen widerspiegeln, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, die auf Innovationen und innovative Lösungen abzielen und den öffentlichen Sektor als potenziell wichtiges Kundensegment zu betrachten.

 

Grundstimmung gegenüber der öffentlichen Beschaffung

Die grafische Analyse in Abbildung 6 veranschaulicht die Grundstimmung der Unternehmen gegenüber der öffentlichen Beschaffung.

Grafik zur Frage: Mit welcher Grundstimmung betrachten Sie die öffentliche Beschaffung?

Abbildung 6: Mit welcher Grundstimmung betrachten Sie die öffentliche Beschaffung?

 

Unter den Unternehmen, die sich als erfahren einschätzen, zeigt sich eine vielfältige Verteilung der Grundstimmungen. Etwa 8 % dieser Unternehmen betrachten die öffentliche Beschaffung mit einer sehr positiven Grundstimmung, während weitere 17 % diese als positiv einstufen. Dies deutet darauf hin, dass ein Teil der erfahrenen Unternehmen die Prozesse der öffentlichen Beschaffung als vorteilhaft und gewinnbringend empfindet.

Ein größerer Anteil, etwa 44 % der erfahrenen Unternehmen, hat eine geteilte Einstellung zur öffentlichen Beschaffung. Diese gemischte Haltung könnte auf unterschiedliche Erfahrungen und Herausforderungen hinweisen, denen diese Unternehmen begegnet sind.

Rund 16 % der erfahrenen Unternehmen haben eine eher negative Einstellung und 10 % eine negative Einstellung gegenüber der öffentlichen Beschaffung, was auf bestehende Schwierigkeiten oder Enttäuschungen hinweisen könnte.

Unter den Unternehmen, die ihre Erfahrung als gering einschätzen, ist der Anteil der Optimisten deutlich höher. Obgleich keines der Unternehmen in dieser Gruppe die öffentliche Beschaffung mit einer sehr positiven Grundstimmung betrachtet, zeigt sich bei 40 % eine positive Einstellung.

Dies lässt den Schluss zu, dass eine signifikante Anzahl an unerfahrenen Unternehmen die öffentlichen Beschaffungsprozesse mit Zuversicht und positiven Erwartungen betrachtet.

In etwa 44 % der befragten Unternehmen, die sich als unerfahren einstufen, wird die öffentliche Beschaffung als „teils/teils“ bewertet. Dies lässt auf eine vorsichtige oder unentschlossene Haltung schließen. Rund 17 % der befragten unerfahrenen Unternehmen zeigen eine eher negative Einstellung gegenüber der öffentlichen Beschaffung. Eine negative Grundstimmung wird von keinem der Befragten angegeben.

 

Ambivalenteres Meinungsbild bei erfahrenen Unternehmen

Die Ergebnisse der Untersuchung legen nahe, dass sowohl erfahrene als auch unerfahrene Unternehmen überwiegend positive oder neutrale Grundstimmungen gegenüber der öffentlichen Beschaffung aufweisen.

Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu der in öffentlichen Diskursen oft wahrgenommenen eher negativen Grundstimmung und zeigen, dass der öffentliche Sektor größtenteils als wertvoller Partner wahrgenommen wird.

Die Gruppe der erfahrenen Unternehmen zeigt eine ambivalentere Meinungsbildung, was auf die umfassenderen und differenzierteren Erfahrungen zurückzuführen ist. Unerfahrene Unternehmen hingegen neigen zu einer positiveren oder neutraleren Grundstimmung, was möglicherweise auf die Hoffnung auf Chancen und Potenziale im öffentlichen Beschaffungsmarkt zurückzuführen ist. 
 

Ausblick

In Teil 2 unserer Beitragsserie zu den Ergebnissen aus dem Vergabereport 2024 widmen wir uns den Erfahrungen der Unternehmen mit öffentlichen Ausschreibungen.

 

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