Beim Tag der öffentlichen Auftraggeber 2021 erwarteten die Teilnehmer:innen rund drei Stunden voller praxisorientierter Impulsvorträge und Diskussionen rund um die aktuellen Themen der öffentlichen Beschaffung.  Ein besonderer Fokus lag auf der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern, Startups und KMU. Highlight war die Verleihung des Preises „Innovation schafft Vorsprung“.

Die Veranstaltung eröffnete Dr. Ole Janssen, Leiter der Unterabteilung Innovations- und Technologiepolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. „Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung einer professionellen, strategischen und innovativen öffentlichen Beschaffung sehr stark verdeutlicht. [...] Die Pandemie hat auch gezeigt, wie Kreativität vor allem von KMU und Startups vorher undenkbare Lösungswege aufzeigen kann.“ Mit diesen Worten bereitete er den Weg für die nachfolgenden Impulsvorträge und die Diskussionsrunde, die vor allem die Vorteile der Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Sektor und Startups bzw. KMU beleuchtete.


Startups, KMU und öffentliche Auftraggeber – Wie findet zusammen, was zusammengehört?

Unter dem Titel„Beschaffungspotenzial bei Start-ups und Mittelstand erkennen“zeigte Björn-Ove Krahn, Bereichsleiter Zentrale Beschaffung & Vergabe bei der GTAI, wie dort mit der Herausforderung umgegangen wird, Ausschreibung so zu gestalten, das Startups und KMU zur Teilnahme motiviert werden. Denn für ihn ist verständlich „KMU und Startups haben in der Regel nicht die personellen und finanziellen Ressourcen [...] deshalb scheuen sie häufig den Aufwand der mit Ausschreibungen der öffentlichen Hand einher geht. Weil für den Fall, dass sie ihre Leistung nicht bezuschlagt bekommen, sie großen Aufwand haben und parallel andere Aufträge nicht annehmen können, die sie vielleicht auf dem privaten Markt bekommen hätten.“

Um KMU und Startups entgegenzukommen, ohne aber die Regelungen des Vergaberechts zu vernachlässigen, setzt man bei der GTAI auf mehrere Maßnahmen:

  • Vergaben werden digital durchgeführt, Angebote können digital eingereicht werden
  • Mittels Vergabemanagementsystem werden alle Unterlagen digital zur Verfügung gestellt sowie Fragen der Bieter beantwortet
  • Es werden keine überzogenen Anforderungen an Umsätze, Personal und Referenzen gestellt
  • Es gibt Innovationsprämien
  • Leistungen werden möglichst in Lose aufgeteilt
  • In der Regel findet die funktionale Leistungsbeschreibung Anwendung
  • Es werden Verfahrensarten genutzt, welche die Chancen von KMU und Startups erhöhen


Timo Müller,Fachplaner Kompetenzcenter Digitale Gesellschaft, Abteilung Methoden, digitale Transformation, Innovation bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH stellte das „Collaborative Innovators Program“ vor. Es soll Startups und dem öffentlichen Sektor einen geschützten Rahmen für ihre Zusammenarbeit bieten. Dabei verwies er auch auf das kostenfreie Toolkit mit konkreten Innovationsmethoden für beide Seiten (➡ https://collaborative-innovators.org/).


Notwendige Basis: Die Einkaufsstrategie

Doch bei allem Antrieb Innovationen zu beschaffen, dürfen die Beschaffungsprozesse dahinter nicht vergessen werden. Sowohl im Vortrag mit Prof. Dr. Eßig, Inhaber der Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Beschaffung und Supply Management an der Universität der Bundeswehr München wie auch in der anschließenden Podiumsdiskussion wurde klar, dass eine strategisch-innovativ aufgestellte Beschaffungsabteilung das A und O ist. Um diese Transformation zu erreichen, sind nicht zuletzt eine ausgearbeitete Einkaufsstrategie, ein Einkaufshandbuch, digitale Prozesse, Transparenz und Controlling sowie Risikomanagement ein Muss.

Anja Theurer, Vergabejuristin und Vorstand bei Staat-up e.V. sah vor allem beim Thema Einkaufsstrategie großes Potenzial. Ob eine Strategie vorhanden ist und gelebt wird, würden auch Startups und KMU erkennen. „Der Anbietermarkt merkt, dass ein Kunde ein schlechter Kunde ist, wenn er zu langsam und zu komplex ist. […] Letzten Endes ist die Strategie immer eine Leitungsaufgabe […], denn sie dient der Umsetzung von Leitungszielen.“ Wenn eine Kommune beispielsweise beschließt, künftig innovativer sein zu wollen, sollte in einer Einkaufsstrategie die linke und rechte Leitplanke definiert werden, innerhalb derer Beschaffer:innen arbeiten können. Gerade beim Thema Beschaffung von Innovationen, die durchaus höhere Risiken bergen kann, schafft eine Einkaufsstrategie eine gewisse Laufruhe.


Ist der Rahmenvertrag das Mittel der Wahl?

Teilnehmer:innen der Podiumsdiskussion beim Tag der öffentlichen Auftraggeber

Mit seiner Aussage „Das was uns Spielräume nimmt, langfristig agieren und Innovationen umsetzen zu können, [...] ist, wenn wir immer nur von Adhoc-Beschaffungen getrieben werden. [...]“ machte Tobias Pötzsch, Referatsleiter Strategische Beschaffung Bund/Kundenmanagement in der Zentralstelle IT-Beschaffung im Beschaffungsamt des BMI, den Aufschlag für die diesjährige Diskussionsrunde und sprach damit sicher vielen Teilnehmer:innen aus der Seele.

Doch ist die Lösung dafür immer gleich der Rahmenvertrag? Sascha Soyk, CEO und Founder von GovRadar, sagt Nein: „Es muss nicht immer der Rahmenvertrag sein.“ Im Gegenteil kann dieser sich sogar als einschränkend erweisen und innovative Beschaffungen erschweren. Stattdessen könnte auf mehr Flexibilität und Automatisierung bei Fällen geringer Komplexität gesetzt werden, um mehr personelle Ressourcen für komplexere Projekte zur Verfügung zu haben.


Herausragende Leistung in der öffentlichen Beschaffung gewürdigt

Für einen ausgezeichneten Abschluss des Tags der öffentlichen Auftraggeber 2021 sorgten die diesjährigen Preisträger des Awards „Innovation schafft Vorsprung“. Thomas Rosenbauer, Leiter Einkauf und Materialwirtschaft bei der ESWE Versorgungs GmbH und David Coleman, Leiter innovative Projekt von der ESWE Verkehrsgesellschaft mbH waren nach Eschborn in die Geschäftsstelle des Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik gekommen, wo auch das Kompetenzzentrum innovative Beschaffung ansässig ist und nahmen den Preis persönlich entgegen.

Aus allen Einsendungen konnten sie sich mit dem innovativen Projekt „Beschaffung von Elektrobussen einschließlich der Errichtung der Ladeinfrastruktur und der Einrichtung eines Betriebshofsmanagementsystems“ durchsetzen und freuten sich sichtlich über den gläsernen Pokal: „Dieser Tage der Europameisterschaft fühlt es sich gut an, so etwas in der Hand zu halten,“ spaßte David Coleman.

Auch Thomas Rosenbauer zeigte sich zufrieden und rief die Zuschauer:innen auf, ebenfalls eine Teilnahme am Innovationspreis zu wagen. Denn auch wenn der Aufwand nicht unerheblich ist, lohnt es sich, „um das Thema Vergabestelle/Einkauf [...] in den Häusern in ein anderes Licht zu rücken“.

Alle Präsentationen der Veranstaltung finden Sie hier.