Ausschreibungen von Kommunen oder anderen öffentlichen Auftraggebern sind meist sehr lukrativ für innovative Unternehmen. Jedoch ist der Wettbewerbsdruck häufig hoch. Neben einem überzeugenden Produkt werden Kenntnisse über den Ausschreibungsprozess, die Akteure und das Umfeld sowie eine passende Strategie benötigt. Was unterstützt Unternehmen, Ausschreibungen im Smart City Bereich zu gewinnen? Darüber haben wir mit Thomas Müller, Geschäftsführer der bee smart city GmbH gesprochen.

bee smart city begleitet Kommunen im Themenfeld Smart City und betreibt zudem ein weltweites Smart City Netzwerk mit einem integrierten Smart City Ausschreibungsservice.

Herr Müller, Sie haben Kommunen bereits häufig auf dem Weg zu einer Smart City begleitet, gleichzeitig kennen Sie die Unternehmensperspektive. Wie finden Unternehmen
und Smart Cities zusammen?

Müller: Challenges, Hackathons oder Reallabore sind eine gute Möglichkeit, um zusammenzukommen und vielfältige innovative Lösungen zu schaffen. Im europäischen Ausland werden Wettbewerbe als Weg des Innovation Procurements bereits häufiger gewählt  und können in Deutschland durchaus als Vorbild für Kommunen betrachtet werden. Wichtig ist dabei, dass
für Unternehmen ein Anreiz geschaffen wird, teilzunehmen. Dies könnte beispielsweise sein, im Anschluss an eine Challenge dem Unternehmen eine Pilotierung in der Stadt zu ermöglichen. Diese zweite Stufe sollte direkt mitgedacht werden als fester Bestandteil des Wettbewerbsverfahrens.


Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen, sich in die Erstellung einer Smart City Strategie einzubringen?
Müller: Wie stark das ausgeprägt ist, ist immer sehr unterschiedlich. Workshops im Vorfeld der Strategieerstellung ermöglichen eine gemeinsame Bestandsaufnahme, Identifizierung von Potenzialen und Bedarfen in den verschiedenen Handlungsfeldern (bspw. Wirtschaft, Innovation, Tourismus). Auf dieser Ebene können sich lokale Unternehmen gut einbringen.

Unternehmen, die nicht in der jeweiligen Kommune oder Region zuhause sind, versuchen meist direkt nach Bekanntwerden von Smart City Plänen oder Förderzusagen bei der Kommune
anzuklopfen. Da jedoch jede Kommune den Vergabevorschriften unterliegt, ist ein Einbringen in den Prozess vergleichsweise schwierig.

Was können Unternehmen von sich aus tun, um ihre Smart City Lösungen in die Städte zu bringen?
Müller: Als Unternehmen muss man sich strategisch überlegen, wohin man (geographisch) möchte und dort entsprechende Referenzen sammeln. Beispielsweise durch ein Pilotprojekt. Ein Netzwerk baut man sich am besten zunächst in seiner Region auf, dort besteht in den meisten Fällen die größte Ortskenntnis. Und Partnerschaften entstehen aus Kenntnis. Lokale Anbieter kennen ihre Stadt, lokale Probleme und Herausforderungen, die Akteure sowie ggf. Prozesse und können dies als Vorteil für sich nutzen.

Wenn sie eine passende Lösung für ihre Stadt oder weitere Städte der Region haben – eventuell sogar schon ein Pilotprojekt umgesetzt haben – sollten sich die Unternehmen mit ihren innovativen Lösungen den Kommunen vorstellen und mit den richtigen Akteuren vernetzen. All das erleichtert den Zugang. Präsenzveranstaltungen sind dabei sehr wichtig für die Vernetzung und Akquise.

Um die richtigen Zugänge zu finden, muss der geeignete Ansprechpartner für das Thema Smart City identifiziert werden. Ist es der CDO, das Fachamt, eine Stabsstelle oder die Wirtschaftsförderung? Das ist in jeder Stadt anders. Wenn der richtige Ansprechpartner identifiziert ist, muss man zu diesem durchdringen. Startups brauchen einen „Botschafter“, einen Vertrauten in der Verwaltung, den sie auf der Fachebene von ihrer Problemlösung überzeugen, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das Beste, was einem Startup passieren kann, ist eine Referenz, die durch Mund-zu-Mund-Propaganda weitergetragen wird. Wenn jemand sagt „Hey, mit denen haben wir gut zusammengearbeitet!“, dann ist das die beste Werbung. Nachdem lokale Referenzen aufgebaut sind, können die Wirkunkreise leichter über die eigene Region ausgedehnt werden.

Welchen Anforderungen sehen sich die Unternehmen dabei gegenüber?
Müller: In Ausschreibungen werden häufig Mindestanforderungen an die Eignung und Kennzahlen, wie Unternehmensumsätze, Personalstärke oder Referenzen, verlangt, die insbesondere Startups und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oftmals nicht in der geforderten Höhe vorweisen können. Das stellt für kleine und mittlere Unternehmen ein großes Hindernis dar. Dabei sagt die Unternehmensgröße noch nichts über die Qualität aus. Es fehlt leider noch an passenden Rahmenbedingungen, die Startups und KMU den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen erleichtern. Um dennoch an Ausschreibungen teilzunehmen, können Unternehmen Bietergemeinschaften bilden und so die geforderten Eignungsnachweise erbringen.

Welche Herausforderungen oder Fallstricke gibt es darüber hinaus in der Zusammenarbeit?
Müller: Eine weitere Herausforderung kann der Kulturunterschied zwischen Vergabestelle, Fachabteilung und Anbieter darstellen. Wenn wir eine Waagschale zwischen Innovation und Regulierung haben, dann ist in Deutschland fast immer die Regulierung diejenige, die schwerer wiegt. Das hängt mit unserem Sicherheitsdenken zusammen. Leider verhindert es aber viele Innovationen. In einer innovativen Ausschreibung sollte z. B. der Preis nicht das Hauptkriterium sein. Das führt bei Anbietern zu einem harten Preiskampf, der nicht unbedingt die beste Lösung liefert. Angebote sollten so strukturiert sein, dass der Preis bestenfalls nur 30 – 40 Prozent ausmacht und die Qualität mit mindestens 50 Prozent im Vordergrund steht. Auch sollten – wie bereits erwähnt – Mindestanforderungen an die Eignung nicht zu hoch gesetzt werden, um innovative KMU nicht auszuschließen.

Welche Entwicklung sehen Sie in diesem Themenfeld?
Müller: Die Öffnungsprozesse bei Städten finden statt. Die Bereitschaft, stärker mit Startups im Bereich Smart City zusammenzuarbeiten, wird ausgeprägter. Es findet ein langsamer Kulturwandel statt, aber man darf dennoch das Sicherheitsdenken nicht außer Acht lassen. Gerade die Vergabestellen sind jedoch vielfach noch zu konservativ aufgestellt. Im Themenfeld Smart City sind die technologisch affinen Personen tätig, von denen dieser Wandel ausgehen kann, jedoch müssen Vergabestelle und Fachabteilung hier noch besser und offener im
Kontext des inhaltlich-fachlichen Ziels einer Ausschreibung zusammenarbeiten.

Welche Erfolgsfaktoren gibt es für das Gewinnen von Smart City Ausschreibungen?
Müller: Für Unternehmen sehe ich vor allem die Aufgabe, durch gute Vorabrecherche die technologischen Anknüpfungspunkte und KO-Kriterien (z. B. Schnittstellen, Infrastruktur etc.) in einer Kommune zu identifizieren. Darüber hinaus sollten sie von reinen Sales-Pitches absehen. Es bedarf einer kundenzentrierten Problemanalyse mit Blick auf die Kommune und Beteiligten vor Ort. Diese müssen bei ihrer Problemstellung abgeholt werden. Dazu muss man sich in die Lage der Kommune versetzen, ein Problembewusstsein entwickeln und die „gleiche Sprache sprechen“.

Es hilft, Ausschau zu halten nach Förderaufrufen oder Wettbewerben, die eine Stadt gewonnen hat. Das bedeutet, dass Budget für Maßnahmen vorhanden ist. Es lohnt sich auch bundesweit zu schauen, was es an Wettbewerben, Challenges oder an Teilnahmemöglichkeiten gibt, um über Pilotierungen den Fuß in die Tür zu bekommen – insbesondere außerhalb der eigenen Region. Eine weitere Möglichkeit, seine Lösungen vor Fachpublikum zu pitchen oder zu präsentieren, bieten bekannte Leitmessen.

Wo finden Unternehmen weitere Hilfestellung?
Müller: In unserem bee smart city Netzwerk gibt es einen weltweiten Ausschreibungsservice, der Unternehmen über aktuelle Ausschreibungen speziell im Smart City-Bereich informiert. Wer nur regional oder national aufgestellt ist, der sollte die relevanten Vergabeportale im Blick haben oder die Vergabenewsletter der Länder und des Bundes abonnieren. Darüber hinaus lohnt es sich, z. B. auf Social Media verschiedene Wettbewerbe und Veranstaltungen zu verfolgen.
 

Das Interview mit Thomas Müller führte Laura Nientiet, VDI Technologiezentrum GmbH

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 01/2022 des kostenfreien KOINNOmagazins.