Die politische Ebene als Möglichmacher der innovativen öffentlichen Beschaffung

Das Kompetenzzentrum innovative Beschaffung (KOINNO) arbeitet mit seinen kostenfreien Beratungsangeboten und Services kontinuierlich daran, die unterschiedlichen Akteure und Stakeholder zusammenzubringen und die diversen Zielsetzungen in der öffentlichen Beschaffung zu harmonisieren. So ist die politische Ebene verantwortlich, den strategischen Überbau der öffentlichen Beschaffung zu gestalten und für ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen in den operativen, implementierungsbezogenen Ebenen zu sorgen. Dies umso mehr, wenn die strategischen Ambitionen hoch sind.

Auf der operativen Ebene ist der Wunsch nach einem gemeinsamen Leitbild für die strategische und innovative Ausrichtung der Beschaffung vorhanden, allerdings gibt es weiterhin Umsetzungsprobleme. Zudem wird das vorhandene Einsparungspotenzial von der politischen Ebene noch nicht ausreichend erkannt und genutzt. Insbesondere in den Chefetagen muss noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden, um die politische Führung für Innovationen zu sensibilisieren.

 

Mandatierung der Beschaffungs- und Vergabestellen für Innovationsorientierung

Wesentlich ist vor allem eine Mandatierung der Beschaffungs- und Vergabestellen über einen Top-Down-Ansatz mit dem Ziel der innovationsorientierten Beschaffung. Die Mandatierung wird zuerst in einer Strategie bzw. Vision auf politischer Ebene konkretisiert. Nur, wenn die übergeordneten politischen Ziele klar kommuniziert werden, können die nachgelagerten Beschaffungsstrategien und IT-Strategien, etc. abgeleitet werden, wobei die Innovationsorientierung aus KOINNO-Sicht mitgedacht werden sollte. Wesentlich ist, ein gemeinsames Leitbild mit allen Beteiligten zu entwickeln und daraus Masterpläne und Aufgaben abzuleiten. Innovationen können dabei mehrdimensional als Neuheit eines Produktes oder einer Dienstleistung, als Wandel durch Produktverwendung in einem neuen Geschäftsfeld oder als prozessbezogene Innovation in einer Institution verstanden werden.

 

Nachfrageimpulse in Richtung der Anbietermärkte setzen

Die Leitungsebene kann das Beschaffungsverhalten und die Art des Marktauftritts einer Kommune oder einer Behörde durchaus steuern. Wenn die Einkaufs- und Vergabestellen legitimiert werden, Innovations- und Nachhaltigkeitskriterien in die Leistungsanforderungen in Ausschreibungen mit einzubinden und die Anforderungen der Bedarfsträger frühzeitig mitzugestalten, kann dies entscheidend für den Nachfrageimpuls in Richtung der Anbietermärkte sein. Für die Unternehmen können so Anreize für innovative und nachhaltige Produktangebote gesetzt und der Markteintritt von Innovationen beschleunigt werden.

Die Anbieter agieren in der Regel umsatzgetrieben und richten ihr Angebot an der Nachfrage aus. Daher ist es so wichtig, die politischen Ziele über die konkrete Nachfrage der öffentlichen Häuser zu steuern. Somit sind politische Ebene und Beschaffungs- und Vergabestellen eng in ihrem Handeln miteinander verbunden.

 

Beschaffungsstrukturen und -abläufe sind komplex

Bei öffentlicher Beschaffung denkt man als Erstes an die Beschaffungs- und Vergabestellen als Umsetzungsverantwortliche für die Bedarfsdeckung und Versorgungssicherheit. Doch was zunächst so trivial und direkt umsetzbar klingt, ist doch deutlich komplexer, denn es geht zum einen um die Gestaltung von Rahmenverträgen für die vielen Standardartikel und zum anderen um die Konzeption aufwändiger Beschaffungsprojekte und Großinvestitionen.

Meist liegen die Auftragsvolumina hier über den Schwellenwerten und müssen nach den Vorgaben des Vergaberechts ausgeschrieben werden. Die Expertise für die Verfahrensvorschriften liegt in den Vergabestellen. Daneben werden unterschwellig eine Fülle von Vergaben unter vereinfachten Regeln realisiert sowie viele Direkteinkäufe durch die Fachabteilungen getätigt. Die Fachabteilungen, Bedarfsträger und Nutzer bilden eine von diversen Gruppen von Akteuren, welche in Interaktion mit den Beschaffungs- und Vergabestellen gehen.

 

Tragweite der Beschaffungsfunktion auf politischer Ebene nur teilweise bekannt

Die Bedeutsamkeit der Beschaffungsfunktion wird immer noch unterschätzt. Es ist höchste Zeit, hier für mehr Bewusstsein auf der politischen Ebene zu sorgen! Denn die Bürgerinnen und Bürger bilden eine weitere Anspruchsgruppe, sehen die öffentliche Beschaffung als Leistung des Staates und lediglich als Mittel zum Zweck. Seitens der Bürger ist hiermit auch eine Innovationserwartung an die politische Ebene verbunden.

Die Innovationserwartung spiegelt sich auf kommunaler Ebene in den ambitionierten Zielen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern wider wie bspw. Projekte in den Bereichen E-Government, Smart City, Verwaltungsdigitalisierung, Neue Mobilität oder Energieeffizienz. Die Beschaffung von Innovationen nimmt auch in den Bundes- und Landesinstitutionen an Bedeutung zu. Die Förderung von Innovationen im öffentlichen Beschaffungswesen ist ein wichtiges Element der Wirtschafts- und Nachhaltigkeitspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Ziele wie digitale Transformation, Ressourcenschonung und Klimaschutz sowie auch die Zusammenarbeit mit Start-ups sind eng mit Innovationen verbunden.

Innovationsprojekte sind oftmals mit Fördermitteln verknüpft und können nur mit Hilfe der staatlichen Förderung realisiert werden. Die Antragsteller insbesondere auf kommunaler Ebene müssen in ihren Prozessen und Strukturen entsprechend innovativ und effizient aufgestellt sein, um als förderfähig zu gelten.

 

Komplexe Beschaffungsprojekte mit dem Handwerkszeug innovativer Beschaffung zum Erfolg führen

Zu den übergeordneten Zielen in der öffentlichen Beschaffung gehören Wettbewerb und Transparenz sowie Vermeidung von Diskriminierung und Korruption. Die Beschaffungs- und Vergabestellen nehmen hierbei eine wichtige Steuerungsrolle ein, indem sie sowohl von der politischen Ebene als auch von den Fachabteilungen bereits früh in die Planung von Beschaffungsvorhaben einbezogen werden. Die frühen Phasen der Bedarfsfestlegung und der Marktsondierung bergen hohe Chancen und Potenziale für die Kosten- und Leistungsbeeinflussung, was im Interesse der Stakeholder liegt.

 

Auf kommunaler Ebene ist die Ausgangsbasis sehr unterschiedlich. Es gibt:

  • Kommunen, die ganz am Anfang stehen und noch nicht wissen, wo ihr Alleinstellungsmerkmal liegt, wie sie ihr Beschaffungswesen innovativ(er) gestalten können und wie sie erfolgreich an Fördergelder gelangen, um smart(er) zu werden.
  • Kommunen, die erfolgreich an Fördermittelprogrammen teilgenommen haben und nun nicht wissen, wie sie innovative Projekte in der Beschaffung und Vergabe     umsetzen und welche Möglichkeiten es gibt, bspw. in der interkommunalen Zusammenarbeit.

Dabei müssen die Zielsetzungen wie die Schaffung eines attraktiven Wirtschaftsstandorts, die Stärkung der Kommune, die Modernisierung der Verwaltung und das Vorantreiben von Innovationen in Einklang gebracht werden mit dem effizienten Einsatz von Steuergeldern und der Schaffung von Mehrwerten für die Bürger.

 

Die Beschaffungsprojekte im kommunalen Umfeld und die Anwendungsfälle sind vielfältig und komplex. Sie umfassen u.a.:

  • Stadtentwicklung
  • Mobilität und Verkehr, Tourismus- und Kulturwirtschaft
  • Wirtschaftsförderung
  • Aus- und Weiterbildung
  • Bürgerservice und Verwaltung, Bürgerbeteiligung
  • Digitale Infrastruktur, Breitbandausbau
  • Gesundheitswirtschaft, Vorsorge
  • Energiewirtschaft, Wasserwirtschaft, Entsorgung
  • Katastrophenschutz  
  • Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Klimaschutz

Anwendungssektoren smarter Kommunen und Regionen, Quelle: Stadt.Land.Digital

Anwendungssektoren smarter Kommunen und Regionen, Quelle: Stadt.Land.Digital

 

Werkzeuge innovativer Beschaffung aus der KOINNO-Toolbox für die politische Ebene

Auf der Leitungsebene ist ein klares politisches Bekenntnis zur Beschaffung innovativer Produkte bzw. zur Implementierung eines innovativen Beschaffungswesens notwendig.

Hieraus leiten sich wesentliche Rahmenbedingungen für die Beschaffungs- und Vergabestellen ab, welche Top-Down von der Leitungsebene umgesetzt werden sollten:

  • Anreize für die operative Ebene der Beschaffungs-/Vergabestelle setzen, um innovative Produkte zu beschaffen bzw. um eine Innovationskultur zu etablieren,
  • klare und messbare Ziele zur innovativen Beschaffung vorgeben und nachhalten,
  • Ressourcen zur Erhöhung der Kapazitäten in der Beschaffungs-/Vergabestelle bewilligen und budgetieren,
  • die Beschaffungs-/Vergabestelle mit einer Beschaffungsstrategie beauftragen und Rückendeckung durch die politische Ebene geben,
  • einen Aktionsplan zur Implementierung der innovativen Beschaffung aufstellen,
  • elektronische Vergabetechnologien und die Digitalisierung der Beschaffungsprozesse einführen,
  • Analyse der Hemmnisse innovativer Beschaffung in der Kommune bzw. der Behörde veranlassen, z.B. über die Teilnahme am kostenfreien KOINNO-Zertifizierungsprogramm
  • Mandat und Voraussetzungen für eine interdisziplinäre und frühzeitige Bedarfsanalyse sowie eine langfristige Budgetplanung schaffen.

 

Um öffentlichen Auftraggebern den Einstieg in die Thematik der innovativen Beschaffung zu erleichtern, hat das Kompetenzzentrum innovative Beschaffung die kostenfreie KOINNO-Toolbox mit über 100 Arbeitshilfen entwickelt.

 

Diese Arbeitshilfen enthalten auch Werkzeuge speziell für politische Akteure (Auszug):

KOINNO Toolbox: Tools für politische Entscheiderinnen und Entscheider

 

Die richtigen Fragen auf politischer Ebene bereiten den Weg zum Ziel einer innovativen Beschaffung

KOINNO berät politische Entscheidungsträger bei der Umsetzung innovationspolitischer Zielsetzungen. Hierbei geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen, um in den jeweiligen Bundesländern, Kommunen bzw. Behörden den Status Quo der Beschaffungsstrukturen und den Grad der Innovationsorientierung zu erfassen. Hieraus kann für die politische Ebene abgeleitet werden, ob qualitative bzw. quantitative Ressourcen in der Beschaffungs-/Vergabestelle nachgesteuert werden und welche weiteren Maßnahmen getroffen werden müssen, um die politischen Ziele zu erreichen.

 

Die politischen Entscheidungsträger stehen u.a. vor folgenden Fragen:

  • Wie trägt innovative öffentliche Beschaffung zu den Zielen der Innovationspolitik bei?
  • Wie klar ist dieser Mechanismus zwischen politischer und operativer Ebene und was kann dieser realistisch leisten?
  • Wie steht das Bundesland/die Behörde/die Kommune zum Thema innovative Beschaffung?
  • Welche Instrumente und Aktivitäten gibt es bereits bzw. was ist geplant?
  • Welche gemeinsamen Hindernisse gilt es zu überwinden?
  • Was kann gemeinsam bewegt werden? Was sind gemeinsame Ziele?
  • Welche Aktivitäten und Leistungen von KOINNO sind bekannt und werden genutzt?

 

Klares politisches Bekenntnis zur Beschaffung innovativer Produkte und zum innovativen Beschaffungswesen

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) formuliert klare Erwartungen an die Bundesländer:

  • Innovative öffentliche Beschaffung als innovationspolitisches Instrument nutzen
  • Rückendeckung der Beschaffungs- und Vergabestellen durch politische Entscheider
  • Innovationsklima schaffen
  • Ressourcen bereitstellen
  • Einbindung von Start-ups in öffentliche Beschaffungsprojekte verstärken
  • Digitalisierung der Beschaffungs- und Vergabestellen vorantreiben
  • Aktive Wirtschaftsförderung durch gezielte Investitionen in innovative Produkte
  • Breite Nutzung und Kommunikation der KOINNO-Angebote und Thematiken innovativer Beschaffung.

 

Fazit

Nicht noch mehr Regulierungen für die öffentliche Beschaffung werden benötigt, sondern eher weniger. Zudem sind Innovationen ein Implementierungsproblem. Die Umsetzung strategischer und innovationsorientierter Beschaffungsstrukturen sollte robust, also widerstandsfähig, und keine „Einmalaktion“ sein. Es gibt zahlreiche Bestrebungen auf der operativen Ebene und viele Treiber („Fans“) innovativer Beschaffung. Um aber die Klammer zu den politischen Zielsetzungen zu schaffen, braucht es eine von der Leitungsebene mandatierte und somit Top-Down eingesteuerte Innovationskultur.

Der Handlungsbedarf liegt somit bei den politischen Entscheidungsträgern.

 

Folgende Maßnahmen unterstützen die politischen Ziele und bringen diese mit einer innovativen Beschaffungsfunktion in Einklang:

  • Politische Entscheider als Vorkämpfer (Champion) für innovative Beschaffungsvorhaben
  • Mehr Sichtbarkeit und Kommunikation innovativer Produkte und Dienstleistungen und guter Beispiele
  • Markterkundung, Innovations-Scouting und Challenges außerhalb der Ausschreibungsprozesse unterstützen und fördern
  • Innovationsfördernde Ausschreibungsvergabe als klares politisches Ziel vorgeben
  • Die Kommunikation zu innovativer Beschaffung und die damit verbundenen Hebel zielgruppenspezifischer (Bedarfsträger, Unternehmen) und breiter gestalten. Hierfür der Beschaffungs-/Vergabestelle das Mandat erteilen.

 

Die Wechselwirkungen zwischen innovativen Anbietern und den Beschaffungsprozessen in den Institutionen sind ein wesentlicher Einflussfaktor für den Erfolg eines Innovationsprojektes. Daher ist es wesentlich, die gegenseitigen Einflussfaktoren zwischen Auftraggeber und Anbietern zu erkennen und transparent zu machen. Die Beschaffungs- und Vergabestellen befinden sich im Beschaffungsprozess in einem „Sandwich“ zwischen den gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen, den strategischen Entscheidern auf Ebene der Amts-/Behördenleitungen, den Erwartungshaltungen auf der Ebene der Bedarfsträger/Nutzer und in der Interaktion mit den Anbietern/Märkten.

Ein wesentliches Ziel von KOINNO ist es, das Verständnis für die „Sandwich-Position“ der Beschaffungsfunktion bei den beteiligten Akteuren zu wecken und dafür zu sensibilisieren, wie wichtig die Beschaffungs- und Vergabestellen als Instrument für die Zielerreichung und Interessenslagen der am Beschaffungsprozess beteiligten Akteure ist.

 

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