Die Hebel der innovativen öffentlichen Beschaffung richtig nutzen

KOINNO verfolgt das Ziel, die Innovationsorientierung in der öffentlichen Beschaffung zu steigern. Doch was bedeutet eigentlich innovative Beschaffung? Und was ist der Anreiz für öffentliche Auftraggeber, dieses Ziel in ihrer Strategie zu verfolgen anstatt klassische Produkte und Dienstleistungen mit klassischen Beschaffungsinstrumenten einzukaufen? Darauf wollen wir im folgenden Beitrag eingehen.

Im Juli 2021 haben wir die freudige Nachricht erhalten, dass wir – der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. – erneut vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit der Durchführung des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung (KOINNO) beauftragt wurden. Die Projektlaufzeit beträgt drei Jahre mit Option auf Verlängerung für weitere zwei Jahre. Unser Ziel ist es, weiterhin die Innovationsorientierung der öffentlichen Beschaffung in Deutschland dauerhaft zu stärken und den Anteil der Beschaffungen von Innovationen am Gesamtvolumen des öffentlichen Einkaufs zu erhöhen.

Warum eigentlich innovativ beschaffen?

Die Förderung von Innovationen im öffentlichen Beschaffungswesen ist ein wichtiges Element der Wirtschafts- und Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland. Und auch Ziele wie Ressourcenschonung und Energieeffizienz sind oft mit Innovationen verbunden.

Nicht nur auf Seiten der Politik können diese Ziele erreicht werden, sondern auch nachfrageseitig durch den öffentlichen Einkauf von innovativen Produkten, Systemlösungen und Dienstleistungen. Öffentliche Auftraggeber können hier also eine gewisse Vorreiterrolle einnehmen. Folgende Überlegung macht dies besonders deutlich: Das jährliche Volumen der öffentlichen Beschaffung in Deutschland beträgt nach Schätzungen zirka 350 Mrd. Euro.

Wenn es gelingen würde, einen Prozentpunkt des Beschaffungsvolumens für innovative Produkte und Dienstleistungen zu verwenden, ergäbe dies einen Innovationsimpuls von mehr als 3,5 Mrd. Euro pro Jahr. Ein Vergleich mit den aktuellen Fördergeldern für Forschung und Innovation in den Unternehmen im Jahre 2015 in Höhe von 2,3 Mrd. Euro verdeutlicht die immense Hebelwirkung der öffentlichen Beschaffung auf die Innovationstätigkeit in der Wirtschaft.

Die Nachfrage nach neuen Produkten und Dienstleistungen regt nicht nur die Innovationstätigkeit der Wirtschaft an, sondern unterstützt auch die schnelle Einführung neuer Technologien auf den Märkten.  Politische Entscheider können und sollen demnach proaktiv Förderer von Innovationen sein.

Spätestens die folgenden Vorteile sollten davon überzeugen, die Zielsetzung der innovativen Beschaffung künftig noch stärker zu verankern:

  • Kosteneinsparung und Leistungserhöhung können Folgen einer innovativen öffentlichen Beschaffung sein
  • Bessere Einschätzung und Bewertung potenzieller Risiken
  • Schnellere Reaktionsfähigkeit
  • Gewährleistung der Versorgungssicherheit
  • Internes und externes Reporting (z.B. zur Steuerung und für mehr Transparenz; relevant für Gremien und Wirtschaftsprüfer)
  • Standards in der Beschaffung vereinfachen den Beschaffungsprozess für alle daran beteiligten Personen
  • Vertrags- und Rechtssicherheit sowie Erfüllung gesetzlicher Vorgaben (z.B. Vergaberecht)
  • Positive Außenwirkung durch die Kommunikation innovativer Beschaffungsvorhaben
     

Rahmenbedingungen schaffen zur Entfaltung der Hebelwirkung

Damit öffentliche Auftraggeber die zuvor beschriebenen Vorteile auch tatsächlich umsetzen können, ist eine gewisse Vorarbeit nötig und der Einkauf bzw. die Beschaffung muss entsprechend aufgestellt sein. Die folgenden Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit eine innovative öffentliche Beschaffung implementiert werden kann:

1. Zielvorgabe und Beschaffungsstrategie

Natürlich ist es möglich, auch ohne das Vorliegen einer Beschaffungsstrategie innovative Produkte und Dienstleistungen zu beschaffen. Es wird jedoch vermutlich nicht systematisch gemacht und Innovationen sind eher ein Zufallsergebnis. Das Ziel der IÖB bzw. der Beschaffung innovativer Produkte und Lösungen sollte daher in die Strategie aufgenommen werden, um einerseits einen Startpunkt bzw. eine bindende Dokumentation zu schaffen und andererseits das Ziel am besten auch quantitativ zu hinterlegen. Nur so gelingt eine Erfolgsmessung der Maßnahmen! Fehlt eine Strategie, gibt es keine langfristige und abgestimmte Ausrichtung der Vergabe-/Beschaffungsstelle.

2. Aufbau von Ressourcen und Fähigkeiten

Bevor die eigentlichen Instrumente zur Umsetzung der innovativen öffentlichen Beschaffung angewendet werden können, müssen organisationale Aspekte wie die Fähigkeiten bzw. Kompetenzen der Mitarbeiter, die (Innovations-)Kultur, die Ressourcen- und IT-Ausstattung (e-Vergabe), das Wirtschaftlichkeitsverständnis sowie der Status der Vergabe-/Beschaffungsstelle auf die Anforderungen der IÖB hin ausgerichtet werden.

3. Nutzung innovativer Methoden und Instrumente im Beschaffungsprozess

Es gibt zahlreiche Instrumente, welche die Beschaffung eines innovativen Produkts und einer Dienstleistung begünstigen. Auf Basis der Auswirkungen bzw. der Bedeutung für die IÖB lassen sich aber einige Instrumente identifizieren, welche priorisiert angewendet werden sollten. Dies sind u.a.:

  • Explizite Nennung des Innovationsziels in der Ausschreibung
  • Durchführung der Markterkundung
  • Zulassung von Nebenangeboten im Vergabeverfahren
  • Berechnung der Lebenszykluskosten und Einbeziehung von Nutzen-Kriterien bei der Angebotsbewertung

Wann gilt das Ziel von KOINNO eigentlich als erfüllt? Wann sprechen wir von einer innovativen öffentlichen Beschaffung? In § 97 Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wird explizit das strategische Ziel der Innovation erwähnt, die bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen beachtet werden kann. Dies ist allerdings erst dann möglich, wenn die Beschaffungsstelle einen entsprechenden Reifegrad hat. Denn zunächst stehen neben den Grundsätzen laut §97 GWB andere Ziele wie Bedarfsdeckung und Vergaberechtskonformität im Vordergrund.

Daraus ergibt sich, dass effiziente und effektive Beschaffungsprozesse die Grundlagen für die eigentliche Beschaffung von Innovationen sind (Quelle: FoRMöB/ BME (2016): „Konzeption einer innovativen öffentlichen Beschaffung (IÖB) – Definition und Handlungsansätze für eine innovative Beschaffung im öffentlichen Sektor“).  Dies zeigt, dass es wichtig ist, zunächst die oben beschriebenen Rahmenbedingungen im eigenen Haus zu schaffen.

Eine Innovation kann alles sein, was grundlegend neu ist oder erneuert bzw. weiterentwickelt wurde. Laut der OECD handelt es sich um eine Innovation bei der Einführung eines neuen oder signifikant verbesserten Produkts (oder auch eine Dienstleistung), eines neuen Prozesses oder einer neuen Marketing- oder Organisationsmethode in die Geschäftspraxis, die Arbeitsabläufe oder die externen Beziehungen (Quelle: OECD/Eurostat (2005):”OSLO Manual: Guidelines for collecting and interpreting innovation data”, 3. Aufl., Paris: OECD/Eurostat.). Ein besonderes Augenmerk liegt im öffentlichen Sektor bei den Produkt- und Dienstleistungsinnovationen sowie bei den Prozessinnovationen.

Wenn also die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen wurden, können die Ziele der IÖB nachhaltig erreicht werden und die Hebelwirkung kann sich entfalten.

 

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