Am 06.08.2025 hat die Bundesregierung den Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabebeschleunigungsgesetz) beschlossen. Die Reform des Vergaberechts wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erarbeitet. Dem waren im Jahr 2023 eine öffentliche Konsultation sowie umfassende Stakeholderrunden zur Transformation des Vergaberechts vorangegangen. Die Erwartungen auf allen Seiten sind groß, denn die öffentlichen Auftraggeber ebenso wie die Anbieterseite erhoffen sich damit einfachere, schnellere und flexiblere Vergabeprozesse.

Ziel der Bundesregierung ist es, mit dem Vergabebeschleunigungsgesetz den Weg für mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie zu ermöglichen und so auch der mittelständischen Wirtschaft und den Startups die erfolgreiche Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen zu erleichtern.

 

Stakeholderrunden mit großer Bandbreite der Interessenslagen

Mehr als 450 Stellungnahmen sind im Rahmen der Konsultation im Jahr 2023 eingegangen und repräsentierten damit ein breites Praxiswissen der Stakeholder. Hierzu zählten mehr als 100 Kommunen sowie Kommunalverbände, zahlreiche Bundesbehörden und auch die Anbieterseite mit Startups, Mittelstand sowie großen Branchenverbänden. Ebenso haben Fachanwälte Ihre Expertise eingebracht und Initiativen bzw. Verbände zu Umwelt-, Sozial- oder Digitalisierungsthemen hilfreiche Impulse beigetragen.

Die Auswertungen der Stellungnahmen in den Stakeholderrunden sind auf der BMWE-Webseite einsehbar (siehe Link unten) und erfolgten nach den Schwerpunktthemen

  • Vereinfachung und Beschleunigung
  • Digitalisierung
  • Nachhaltigkeit
  • KMU, Startups, Innovation

 

Geschafft: Das Vergabebeschleunigungsgesetz ist am Start und hoffentlich ein großer Wurf

Das öffentliche Beschaffungsvolumen in Deutschland beträgt jährlich mindestens 350 Milliarden EUR. Diese Schätzung ist konservativ und das tatsächliche Volumen könnte noch höher sein, da nicht sämtliche Vergaben in Zahlen erfasst werden. Und noch eine markante Zahl: Bereits im Jahr 2016 wurde in einer Umfrage bei über 300 Vergabestellen ermittelt, dass jährlich etwa 35 Milliarden EUR für innovative Beschaffungen ausgegeben werden könnten (Studie 2016 KOINNO & FORMÖB). Damit das Potenzial für Innovationsbeschaffung auch wirklich ausgeschöpft werden kann und die Reform Entlastung für die bundesweit 30.000 Beschaffungs- und Vergabestellen bringt, müssen die prozessualen Aufwände bei der Vergabe von jährlich mehreren hunderttausend öffentlichen Aufträgen dringend reduziert werden.

 

Gut zu wissen: das Vergabebeschleunigungsgesetz ist ein Artikelgesetz

Der Name Artikelgesetz kommt daher, dass das Gesetz aus mehreren Artikeln besteht, wobei jeder Artikel eine Änderung oder Ergänzung eines anderen Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift enthält. Es werden somit mehrere inhaltlich oft unterschiedliche Regelungen, in diesem Fall vor allem bezogen auf das nationale Vergaberecht für Beschaffungen über den europäischen Schwellenwerten, in einem einzigen Gesetzgebungsverfahren zusammengefasst. Darüber hinaus sollen auch das Haushaltsgrundsätzegesetz und die Bundeshaushaltsordnung geändert werden, die vor allem Beschaffungen des Bundes im Unterschwellenbereich betreffen. Weitere Änderungen betreffen unter anderem das Wettbewerbsregistergesetz, die Vergabestatistikverordnung, das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, das Arbeitnehmerentsende- und das Mindestlohngesetz, die jeweils bei Vergaben ober- und auch unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten.

 

Bürokratieabbau ist das „Zauberwort“ der Vergabereform

In der vergleichenden Gegenüberstellung der von der Reform betroffenen Gesetze in ihrem aktuellen und zukünftig beabsichtigten Wortlaut (Synopse, siehe Link unten) wird deutlich, welche Rahmenbedingungen für die Beschaffung vereinfacht und flexibler gestaltet werden sollen:

  • Erhöhung der Direktvergabeschwellen für Vergaben des Bundes von 15.000 Euro auf 50.000 Euro und dadurch mehr Möglichkeiten zum formlosen Preisvergleich anstatt förmlicher Verfahren mit langen Fristen
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  • Beschränkung des niedrigeren EU-Schwellenwertes für Auftraggeber des Bundes auf die Bundesministerien und das Bundeskanzleramt; für alle anderen Auftraggeber des Bundes stattdessen Geltung des „normalen“ EU-Schwellenwertes i.H.v. derzeit 221.000 Euro
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  • Ausnahmeregelungen zum Losgrundsatz für Ausschreibungen mit Bezug zum Infrastruktur-Sondervermögen. Jedoch Ausnahmen eng gefasst, damit der Mittelstand keine Nachteile erfährt.
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  • Bei den geforderten Eignungsnachweisen eine angemessene Verhältnismäßigkeit zum Auftragswert und die besonderen Umstände von jungen und kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen berücksichtigen, Begründung nicht notwendig
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  • Stärkung von Eigenerklärungen und Beschränkung der Pflicht zur Vorlage anderer Unterlagen und Nachweise auf die aussichtsreichen Bewerber bzw. Bieter
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  • Bei Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb sollen(!) junge sowie mittelständische Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, allerdings ohne bieterschützende Wirkung und Begründung nicht notwendig
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  • Vergaberechtliche Festschreibung von Zahlungsfristen für den Auftraggeber und Stärkung der Möglichkeiten zur Vereinbarung von Voraus- und Abschlagszahlungen, insbesondere im Interesse kleiner bzw. junger Unternehmen / Startups
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  • Mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer darf via Video-Call durchgeführt werden
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  • In Markterkundungen explizit auch Nachhaltigkeits- und Innovationsaspekte berücksichtigen und sie kann auch elektronisch durchgeführt werden
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  • Auftraggeber müssen ausdrücklich festlegen, ob Nebenangebote zugelassen, vorgeschrieben oder ausgeschlossen sind; das Thema Nebenangebote darf also nicht mehr ausgeblendet werden
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  • Reduzierung von Nachweis- und Dokumentationspflichten sowie Digitalisierungsgebot der Vergabe- und Nachprüfungsverfahren
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  • Die Laufzeit von Rahmenverträgen für soziale und andere besondere Dienstleistungen darf jetzt bis zu 8 Jahre betragen. Bei Rahmenverträgen über anderweitige Leistungen bleibt es bei 4 Jahren.
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  • Abfragepflicht im Wettbewerbsregister jetzt erst ab 50.000 EUR
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  • Maßnahmen zur Beschleunigung von Nachprüfungsverfahren.

 

Fazit zum Vergabebeschleunigungsgesetz 

Der Gesetzesentwurfs zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge stellt einen bedeutsamen Meilenstein in der Weiterentwicklung hin zu einer vereinfachten, digitalisierten und prozesseffizienten Ausgestaltung der Vergabeverfahren dar. Mit der vorgesehenen Anhebung der Direktvergabewertgrenze auf 50.000 EUR auf Bundesebene kann eine spürbare Entlastung für Behörden geschaffen werden – wodurch sowohl Zeit als auch Kosten eingespart würden. Zudem würden  sich noch mehr Möglichkeiten zur Innovationsbeschaffung eröffnen. Die neu zu erwartenden „Freiheiten“ in der Vergabe gilt es dann gut zu nutzen und KOINNO steht öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen jederzeit mit einem weit gefächterten kostenfreien Service-Angebot unterstützend zur Seite.

Der Fokus auf den Mittelstand als Stütze der Wirtschaft wird weiterverfolgt und die Startups und innovativen KMU explizit gefördert, beispielsweise durch angepasste Anforderungen an die Eignungskriterien sowie die Stärkung von Nebenangeboten. Mit dem neuen Gesetz wird eine jährliche Kostensenkung in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionen-Betrages in der öffentlichen Verwaltung sowie der Wirtschaft prognostiziert.

 

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