
Kaum ein Thema weckt in der öffentlichen Verwaltung derzeit so viel Aufmerksamkeit wie Künstliche Intelligenz (KI). Bund, Länder und Kommunen testen erste Anwendungen, Pilotprojekte entstehen in unterschiedlichsten Fachbereichen, und die Erwartungshaltung ist hoch. Die Bilanz ist jedoch gemischt: Manche Lösungen funktionieren nicht wie erhofft oder entfalten kaum Wirkung. Ein zentraler Grund: Es fehlt häufig der systematische Blick vor der Beschaffung.
Hier setzt die gemeinsam von Possible Digital mit der Bundesdruckerei erarbeitete Studie Fachverfahren decoded an. Sie geht der Leitfrage nach: Wie kann KI in Verwaltungsverfahren sinnvoll eingesetzt werden? Ausgangspunkt ist eine zentrale Tatsache: Verwaltungsarbeit findet in Fachverfahren statt – vom BAföG-Antrag bis zur Forschungsförderung. Entsprechend haben wir untersucht, wie KI in Fachverfahren implementiert werden kann und welche Voraussetzungen dafür nötig sind.
Drei Kernerkenntnisse: Erstens, Verwaltungsverfahren sind modular und müssen auch so behandelt werden. Zweitens, Daten- und KI-Technologien wirken dort, wo Regeln, Daten und Muster klar definiert vorliegen. Drittens, ein pragmatischer Einstieg ist möglich – über klar abgegrenzte Komponenten innerhalb von Fachverfahren. Zugleich zeigt sich: Schon vor der Ausschreibung müssen entscheidende Stellschrauben gedreht werden, damit KI überhaupt Wirkung entfalten kann.
Ein systematischer Blick: Wann ist KI relevant – und was nimmt sie ab?
KI ist kein Selbstzweck. Wirkung entsteht, wenn sie konkrete Arbeitsschritte spürbar verbessert: z. B. Plausibilitätsprüfungen, Dokumentenklassifikation, Vorstrukturierung von Texten, Anomalie-/Mustererkennung oder regelbasierte Entscheidungsvorbereitung. Genau hier liegt der doppelte Nutzen: Effizienz in der Bearbeitung und Entlastung der Mitarbeitenden – wichtig mit Blick auf den Fachkräftemangel und die zugleich oft als wenig serviceorientiert wahrgenommene Verwaltung.
Fachverfahren als Linse – warum dieser Blick entscheidend ist
Wer KI sinnvoll einsetzen will, muss bei den Fachverfahren ansetzen. Sie sind die organisatorische und technische Einheit, in der Verwaltungsarbeit tatsächlich stattfindet – und damit der natürliche Ausgangspunkt jeder KI-Überlegung. Statt ganze Verfahren „per KI“ ersetzen zu wollen, ist die Zerlegung in Einzelschritte der richtige Weg. Erst dadurch wird sichtbar, wo KI echten Mehrwert stiftet: etwa, wenn im Meldewesen Plausibilitätsprüfungen automatisiert, im Bauantrag Dokumente klassifiziert oder beim Führerscheinwesen Anträge vorgeprüft werden. Wirkung entsteht präzise, nicht pauschal.
Sequenzierungslogik: Von der Verfahrensebene zum konkreten Einsatzpunkt
Die Studie schlägt dafür eine gestaltete Reihenfolge vor:
- Fachverfahren analysieren,
- in fachliche Komponenten zerlegen,
- Eignung der Komponenten für KI-Technologien bewerten.
So erkennen Behörden, welche Schritte realistisch profitieren, welche Daten benötigt werden und wo Grenzen liegen. Das verhindert Streuverluste und macht Investitionen zielgenau. Eine ausführliche Beschreibung der Sequenzierungslogik mit Beispielen findet sich im Bericht „Fachverfahren decoded“.
Die gesamte Studie finden Sie hier:
https://www.possible-digital.de/insights/fachverfahren-decoded
Das KI-Framework – Orientierung statt Feature-Liste
Wir geben keine Einkaufsliste für Tools, sondern bieten einen leicht verständliche KI-Orientierungsrahmen, das Verwaltungsmitarbeitenden zeigt, welche Technologien tatsächlich unter „KI“ fallen, welche Ergebnisse sie liefern können (Output) und welche Daten sie dafür brauchen (Input). Der Punkt ist nicht, alles technisch zu erklären, sondern Entscheidungen zu erleichtern: Welche Technologie passt zu welchem Zweck?
Zusammenführung: Match zwischen Technologie und Komponenten
Die eigentliche Kunst ist das Matching: eine passende KI-Technologie aus dem Framework mit einer konkreten Komponente des Verfahrens zu verbinden. Ein „Match“ liegt nur dann vor, wenn Ziel der Komponenteund Möglichkeiten der Technologie übereinstimmen und die nötige Datenlage vorhanden ist. Dieses Zusammenführen macht aus abstrakter KI anwendbare Lösung – und ermöglicht Skalierung über ähnliche Komponenten in anderen Verfahren.
Was vor der Beschaffung zu tun ist
Unser Bericht ist keine Beschaffungsempfehlung. Aber er hilft beim Gedankengang vor der Beschaffung. Denn wer KI wirksam beschaffen will, muss vorab die richtigen Fragen stellen – die folgenden Punkte bieten dafür eine klare Orientierung.
- Bestandsaufnahme & Bedarfsermittlung: Was sind Verwaltungsverfahren in meiner Behörde? Welche Komponenten beinhalten die Verwaltungs- und Fachverfahren? In welchen Komponenten treten Herausforderungen / Probleme auf?
- Daten prüfen: Welche Daten liegen vor? In welcher Qualität? Müssen sie aufbereitet werden?
- Matching: Kann man KI sinnvoll einsetzen? Ist der Einsatz von KI technisch möglich und ergibt er fachlich Sinn?
- Ressourcen & Betrieb bedenken: Welche Anforderungen an Datenschutz, IT-Sicherheit und Betrieb liegen vor?
- Erfolgskriterien festlegen: Wie soll die Wirkung des Einsatzes von KI gemessen werden – und ab wann gilt der Einsatz als Erfolg?
Diese Vorarbeit sorgt für effizienten Ressourceneinsatz und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass KI spürbar wirkt. In unserem Bericht „Fachverfahren decoded“ ist diese Vorarbeit detailliert beschrieben – mit Praxisbeispielen und übersichtlichen Prozessschritten zur Einführung von KI-Anwendungen in der Verwaltung.Gute KI-Beschaffung beginnt vor der Ausschreibung. Wer Verfahren, fachliche Komponenten, Datenlage und Nutzen sauber vorbereitet, kann die Ausschreibung präzise formulieren, realistische Eignungs- und Zuschlagskriterien definieren und Lösungen modular skalieren.
Über Possible Possible (Possible Digital GmbH) berät und vernetzt öffentliche Verwaltung und Tech-Welt. Das interdisziplinäre Team aus Verwaltungsexpert:innen, Tech-Enthusiastinnen und Researcher:innen arbeitet an der Schnittstelle von Technologie, Beratung und Innovation. Sie inspirieren mit neuen Perspektiven, mutigen Ideen und innovativen Strategien, altbekannte Herausforderungen anders anzugehen. Mehr Information unter https://www.possible-digital.de/ |