Mit der Markterkundung Innovationen erkennen

Welche Unternehmen können unseren Bedarf decken? Gibt es neue Startups am Markt? Wer kann innovative Produkte bereitstellen? Die erste Frage stellen sich Beschafferinnen und Beschaffer vermutlich täglich. Frage zwei und drei werden aber wahrscheinlich weniger Einkäuferinnen und Einkäufer beschäftigen.Grund ist, dass eine umfassende Markterkundung noch nicht in allen öffentlichen Institutionen fester Bestandteil der täglichen Arbeit ist.

Der hohe Arbeitsaufwand im Tagesgeschäft ist sicherlich einer der Gründe, warum entweder gar keine Markterkundung durchgeführt wird oder aber nur in einem sehr geringen Umfang. Dazu kommt, dass oft nicht klar ist, wie eine Markterkundung überhaupt funktioniert und inwieweit eine Kommunikation mit potenziellen Anbietern überhaupt erlaubt ist.

Markterkundung als strategisches Element im Beschaffungsprozess

Bei der Markterkundung geht es darum, bereits frühzeitig den Beschaffungsmarkt mit seinen potenziellen Anbietern sowie Produkt- und Dienstleistungsangeboten zu analysieren. Die so gewonnenen Informationen bilden eine wichtige Grundlage für die Bedarfsgestaltung und die damit einhergehende Erstellung der Leistungsbeschreibung. Mit der Markterkundung möchte man zum Beispiel herausfinden, ob es Produktvarianten mit unterschiedlichen Funktionalitäten gibt oder ob die gewünschte Leistung überhaupt bereits am Markt gibt.

Wenn der Auftraggeber den Bedarf noch nicht hinreichend spezifizieren, wohl aber die gewünschten Anforderungen beschreiben kann, so helfen die Erkenntnisse aus der Recherche bei der Erstellung einer funktionalen Leistungsbeschreibung. Ob ein Produkt bereits am Markt vorhanden ist, bestimmt auch die Wahl des geeigneten Vergabeverfahrens. Daher ist die Markterkundung ein wesentliches Instrument im strategischen Einkauf.

Im Beschaffungsprozess, der mit der Bedarfsentstehung beginnt und mit der Abwicklung der Beschaffung endet, findet die Markterkundung zu einem relativ frühen Zeitpunkt statt. Sobald der Bedarf bekannt ist, können die Beschaffer mit der Markterkundung beginnen. Bei der Markterkundung handelt es sich um einen strategischen Schritt im Beschaffungsprozess, der kaum durch das Vergaberecht reguliert ist und somit einen großen Gestaltungsspielraum bietet. Die Möglichkeiten zur Beeinflussung der Qualität, der Kosten sowie des Innovationsgrades eines Beschaffungsvorhabens sind zu diesem Zeitpunkt noch relativ hoch.

 

Der Beschaffungsprozess, Quelle: KOINNO 

Abbildung 1: Beschaffungsprozess (Quelle: KOINNO)

 

Der richtige Ablauf einer Markterkundung

Bei der Durchführung der Markterkundung sind die folgenden drei Schritte zu beachten:

Vorgehen bei einer Markterkundung, Quelle: KOINNO

Abbildung 2: Vorgehen bei der Markterkundung (Quelle: KOINNO-Toolbox)

 

1. Definition des Umfangs der Marktaktivitäten

  • Bestimmung von Warengruppen, in denen eine eingehende und umfangreiche Markterkundung sinnvoll erscheint. Hierfür sollte im Vorfeld der Bedarf funktional beschrieben worden sein.
  • Falls noch weitere Informationen zur Spezifizierung des eigenen Bedarfs nötig sind, können diese im Zuge der Markterkundung im Dialog mit potenziellen Anbietern präzisiert werden.
  • Festlegung, welche Anbieter bzw. Akteure im Rahmen der Markterkundung angesprochen werden sollen (z.B. Hersteller, Wissenschaftler, Service Provicer etc.).

 

2. Auswahl geeigneter Markterkundungsformate & Planung

  • Festlegen, wie Anbieter und Akteure am besten identifiziert werden können (= Quellen/Wege).
  • Festlegung des Ressourcen- und Zeitaufwandes.
  • Erstellung von Unterlagen, die im Zuge der Recherche bzw. Gespräche als Grundlage genutzt werden können.

 

3. Durchführung der Markterkundungsaktivitäten

  • Veröffentlichung einer Vorabinformation (z.B. Vorabinformation ohne Aufruf zum Wettbewerb in der TED-Datenbank) und/oder Publikation der Bedarfe auf relevanten Portalen/Webseiten bzw. direkte Kontaktierung von potenziellen Zulieferern.
  • Dokumentation aller Kontakte und Informationen und Bereitschaft zum weiteren Austausch mit Anbietern.
  • Beschreibung der Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Markterkundung für das eigene Beschaffungsvorhaben. Hierbei ist vor allem auf die Wahrung von geistigen Eigentumsrechten aber auch der Transparenz und Gleichbehandlung zu achten.
  • Vor der Initiierung des Vergabeprozesses ist es notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um Wettbewerbseinschränkungen aus den Markterkundungsaktivitäten zu verhindern. Z.B. sollten alle Informationen offen zugänglich sein und genug Zeit zur Beantwortung bzw. Rückmeldung gegeben werden.


Als Grundlage, um potenzielle Bieter überhaupt kontaktieren zu können, müssen diese zunächst einmal identifiziert werden. Dafür bieten sich unterschiedlichste Quellen an, die von Beschaffern genutzt werden können.

Die am häufigsten genutzten sind Online-Informationen (Portale, Webseiten), Kataloge, Fachliteratur, Werbung/Broschüren, Lieferantenbesuche sowie Lieferantenbefragungen (Quelle: Wege der Markterkundung nach Wegweiser). Es ist wenig überraschend, dass die Online-Recherche die meist genutzte Quelle ist. Die Internet- und Datenbankrecherche reicht bei manchen Bedarfen auch bereits aus. Ist der Bedarf komplexer, lohnt es sich, die Marktteilnehmer zur Mitarbeit zu animieren.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Markterkundung in der öffentlichen Beschaffung

Die Realität zeigt, dass viele Beschafferinnen und Beschaffer sehr stark in operatives Tagesgeschäft eingebunden sind. Viel Raum, um sich strategischen Themen zu widmen, bleibt oft nicht. Gerade dieser Raum muss aber geschaffen werden, damit die Markterkundung auch wirklich fester Bestandteil im Beschaffungsprozess werden kann und nutzbare Erkenntnisse liefert.

Die Beschaffung kann natürlich nur dann eine umfassende Markterkundung durchführen, wenn sie auch durch die Bedarfsträger frühzeitig über anstehende Bedarfe informiert wird und/oder proaktiv eine langfristige Bedarfsermittlung anstößt. Denn nur, wenn Bedarfe zeitnah bekannt sind, können Qualität, Kosten sowie Innovationsgrad eines Produktes oder einer Dienstleistung noch positiv beeinflusst werden.

Um nicht jedes Mal den kompletten Rechercheaufwand betreiben zu müssen und um auch Kolleginnen und Kollegen über die Erkenntnisse der Markterkundung zu informieren, ist eine transparente Dokumentation und das Teilen von Wissen unerlässlich. Dies hat den Vorteil, dass im Falle eines erneuten Bedarfs bereits eine Grundlage an Informationen zur Verfügung steht, die genutzt werden und aktualisiert werden kann. Außerdem verhelfen diese Informationen zu einem großen Marktwissen. Und welcher Beschaffer möchte nicht gerne als Experte auf Augenhöhe wahrgenommen werden?

Mit diesen Voraussetzungen sowie einem gut überlegten Vorgehen, steht einer erfolgreichen Markterkundung also nichts mehr im Wege. Und sicherlich wird sich dies auch im Innovationsgrad der beschafften Produkte widerspiegeln.

 

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