Die Markterkundung in der öffentlichen Beschaffung

Laut Vergaberecht können in Vorbereitung einer Auftragsvergabe bestimmte Informationen über den Beschaffungsmarkt und den gesuchten Beschaffungsgegenstand eingeholt werden. Diese sind für die Wahl des Vergabeverfahrens und die Erstellung der Vergabeunterlagen essentiell – und somit auch für den Erfolg des gesamten Beschaffungsprozesses. 

Für eine gründliche Markterkundung und –recherche ist eine frühzeitige Einbindung der Beschaffungsstelle notwendig

Laut § 28 VgV und § 20 UVgO wird eine Markterkundung vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens durchgeführt und dient ausschließlich zu dessen Vorbereitung. In diesem Kontext ist die Kommunikation mit potentiellen Bietern möglich, um tiefergehende Produkt- und Marktinformationen zu erhalten. Da es sich um eine Kann-Vorschrift handelt, ist eine Markterkundung aus rechtlicher Perspektive nicht zwingend. Allerdings ist sie für die Beschaffung von Innovationen und anderen komplexeren Beschaffungsgegenständen ein Muss.

Beschaffungsprozess im öffentlichen Einkauf. Quelle: UniBW

Je früher die Beschaffungsabteilung in den Beschaffungsprozess eingebunden ist, desto mehr Zeit ist für eine gründliche Markterkundung vorhanden. Idealerweise sollte die Einbeziehung bereits bei der Bedarfsentstehung stattfinden, da dann die Beschaffungsstelle den weiteren Beschaffungsprozess koordinieren und moderieren kann. So können alle Fachabteilungen mit ihren jeweiligen Anforderungen und Bedürfnissen berücksichtigt und abgeholt werden. Dies ist für die Ausschreibung, die Wahl eines passenden Bieters und die Beschaffung des geeigneten Produktes bzw. Dienstleistung wichtig. Unerlässlich ist ein solches Vorgehen, wenn es sich um eine individuelle (Weiter)Entwicklung handelt – also inkrementelle und radikale Innovationen (→ KOINNO-Toolbox).

Der Preisträger des BME/ BMWi-Awards „Innovation schafft Vorsprung“ 2020 Hessen Mobil macht es vor: dank einer fundierten Markterkundung und der intensiven Kommunikation mit allen Stakeholdern konnte ein bestehender Warnschutzanzug so weiterentwickelt werden, dass die Funktionalität und der Tragekomfort verbessert wurden. Ebenso wurden innovative, ökologische wie soziale Aspekte einbezogen (→ KOINNO-Praxisbeispiel).

 

Die Markterkundung und –recherche wird als wichtiger Treiber gesehen, aber selten angewendet

Die Forschungsgruppe für Recht und Management öffentlicher Beschaffung (FoRMöB) der Universität der Bundeswehr München wollte 2018 in einer erneuten Umfrage unter 3.200 Beschaffern wissen, welches die Treiber für eine Beschaffung von Innovationen ist. Das Ergebnis: die Markterkundung wird für die Beschaffung von Innovationen als größtenteils wichtig angesehen (Platz 12 von 44 Treibern), aber dennoch selten angewendet (→ Erfassung des aktuellen Standes der innovativen öffentlichen Beschaffung in Deutschland 2018).

 

Die Frühphase des Beschaffungsprozesses dient dem Erkenntnisgewinn

Die ersten Phasen des Beschaffungsprozesses dienen dem Erkenntnisgewinn, d.h. eine Vorstellung von den Anforderungen und Bedürfnissen an den Beschaffungsgegenstand der relevanten internen Stakeholder zu bekommen und das Angebot des Marktes dahingehend zu prüfen.

Dementsprechend wird zuerst eine grobe Marktrecherche gemacht, um einen ersten Überblick über potentielle Produkte bzw. Dienstleistungen und Bieter zu erhalten. Darauf aufbauend können tiefergehende Informationen in Form einer Vorabinformation an den Markt eingeholt werden. Die Markterkundung schließt den Erkenntnisprozess ab, in dem ergänzende Informationen aus unterschiedlichen Quellen genutzt werden.

Dazu gehören bspw.

  • Internet- und Datenbankrecherche
  • Schriftliches Angebot
  • Offene Seminare und Workshops
  • Geschlossene Diskussionen

 

Die gesammelten Erkenntnisse fließen dann in die Auswahlentscheidung des Vergabeverfahrens und die Erstellung der Vergabeunterlagen ein. Dies hat vielfältige Vorteile: je gründlicher die Vorarbeit, desto genauer und umfangreicher die Informationen. Dies führt letztlich zu einer besseren Entscheidungsgrundlage und einer Reduzierung des Risikos, bspw. durch eine unpassende Wahl des Bieters oder Mängeln in der Vergabeunterlagen (→ Leitfaden innovative öffentliche Beschaffung).

 

Was Sie noch interessieren könnte:

BME-Whitepaper „Strategische Markterkundung im öffentlichen Einkauf“

KOINNO-Toolbox

KOINNO-Beratung

FoRMöB/ BME (2016): „Konzeption einer innovativen öffentlichen Beschaffung (IÖB) – Definition und Handlungsansätze für eine innovative Beschaffung im öffentlichen Sektor“, Neubiberg: FoRMöB/BME.