Wenn von Digitalisierung die Rede ist, können wir dies aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Zum einen geht es darum, wie der Einkauf seine eigenen Prozesse digital abbilden kann. Zum anderen nimmt der Einkauf eine wichtige Rolle ein, wenn Digitalisierungslösungen für das ganze Haus beschafft werden müssen. Beides ist gleichermaßen wichtig. 

Der Digitalisierungs-Trend setzt sich auch im öffentlichen Sektor fort und wird durch die anhaltende Corona-Pandemie sowie durch gesetzliche Vorgaben, wie z.B. das Onlinezugangsgesetz (OZG) oder die E-Rechnungsverordnung, unterstützt und beschleunigt. Dies ist eine Herausforderung, denn es fehlen oft Abläufe, Mandate und die Kenntnis über innovative Digitalisierungstechnologien.

Digitale Beschaffungsprozesse

Innovative Beschaffung bezieht sich nicht nur darauf, welche Produkte und Dienstleistungen konkret eingekauft oder welche Vergabeverfahren dazu genutzt werden. Es geht ebenfalls darum, wie professionell und innovativ der Einkauf aufgestellt ist. Wesentliche Aspekte hierbei sind digitale Beschaffungsprozesse, digitale Beschaffungsobjekte und digitale Geschäftsmodelle (Quelle: Prof. Dr. Michael Eßig, Universität der Bundeswehr München).

Viele öffentliche Institutionen sind gerade dabei, ihre Beschaffungsprozesse schrittweise zu digitalisieren und prüfen dazu die Nutzung verschiedener IT-Tools. Die Ergebnisse der KOINNO-Zertifizierung zeigen, dass fast 92% der knapp 30 bisher teilnehmenden Unternehmen bereits IT-Tools im Einsatz haben. Dabei liegen z.B. die Nutzung von Vergabeplattformen sowie elektronischen Ausschreibungen weit vorne und werden jeweils in 45% der Häuser immer genutzt. Die Beschaffung über elektronische Kataloge wird von rund 41% der Teilnehmer häufig bzw. immer praktiziert.

Steht man jedoch erst ganz am Anfang, sollte man bei der Umsetzung seines Digitalisierungsvorhabens an folgende Schritte denken:

Ist-Analyse:

  • Wie sieht der Beschaffungsprozess aktuell aus?
  • Welche Schritte sind bereits digitalisiert?
  • Welche Tätigkeiten werden noch manuell durchgeführt?

 

Potenzial-Analyse:

  • Wo liegt der Mehrwert der Digitalisierung in den einzelnen Prozessschritten?
  • Wo könnte man durch Digitalisierung die größte Erleichterung erzielen?

 

Setzen von Prioritäten:

  • Wie könnte die geeignete Reihenfolge für die Digitalisierung aussehen?
  • Wo soll begonnen werden?

 

Auswahl von Tools:

  • Ist eine umfassende Marktanalyse durchgeführt worden?
  • Auswahl geeigneter Tools / IT-Landschaft
  • Wie können mehrere Tools miteinander verknüpft werden (Schnittstellen)?

 

Durch frühzeitige Einbindung des Einkaufs können Potenziale bestmöglich ausgeschöpft werden

Der Einkauf steht aber nicht nur vor der Herausforderung, seine eigenen Prozesse zu digitalisieren. Ihm kommt auch eine besondere Rolle zu, wenn das komplette Haus über Digitalisierungsabsichten verfügt. Im Optimalfall wird der Einkauf bei solchen Projekten von Beginn an eingebunden, denn zu diesem Zeitpunkt sind die Möglichkeiten zur Beeinflussung der Qualität, der Kosten sowie des Innovationsgrades eines Beschaffungsvorhabens relativ hoch. Es bleibt zudem noch ausreichend Zeit, um eine umfassende Markterkundung durchzuführen und bereits frühzeitig den Beschaffungsmarkt mit seinen potenziellen Anbietern sowie Produkt- und Dienstleistungsangeboten zu analysieren.

Die fortschreitende Digitalisierung hat für den Einkauf ein verändertes Beschaffungsportfolio zur Folge – es wird digitaler. Der Bedarf nach IT-Lösungen bzw. IT-Dienstleistungen erhöht sich. Die Markterkundung, die ohnehin regelmäßig durchgeführt werden sollte, ist daher enorm wichtig. Aus den dort gewonnenen Erkenntnissen kann eine passende Warengruppenstrategie abgeleitet werden.

Digitalisierung im öffentlichen Sektor

Dass es einen Wunsch nach fortschreitender Digitalisierung im gesamten öffentlichen Sektor gibt, zeigt das Onlinezugangsgesetz (OZG), welches Bund und Länder verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Hierbei müssen zum einen Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene digitalisiert werden und zum anderen muss eine IT-Infrastruktur geschaffen werden, die für alle den Zugriff auf die Verwaltungsleistungen mit nur wenigen Klicks ermöglicht (Quelle: www.onlinezugangsgesetz.de). Seit dem 18. April 2016 müssen öffentliche Auftraggeber und Unternehmen zudem im Oberschwellenbereich grundsätzlich elektronische Mittel zur Kommunikation nutzen. Mit der E-Vergabe können Vergabeverfahren vollständig über das Internet und spezielle Vergabeplattformen abgewickelt werden (Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie).

Viele Beispiele aus der Praxis zeigen, dass der öffentliche Sektor schon auf einem guten Weg ist. So setzt beispielsweise die Stadt Ludwigsburg einen Serviceroboter zur Unterstützung der Bürgerdienste ein (→ Zum Praxisbeispiel). Er begrüßt die Bürgerinnen und Bürger und dient als Wegweiser zu den unterschiedlichen Abteilungen – entweder durch Wegbeschreibung oder durch direktes Hinführen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat eine Blockchain-Lösung zur Unterstützung behördenübergreifender Prozesse im Asylbereich konzipiert und entwickelt (→ Zum Praxisbeispiel). Ziel ist ein zeitnaher und medienbruchfreier Informationsaustausch im Asylverfahren und eine deutliche Minimierung der Verfahrensdauer und Ressourcenaufwände.

Wir sind gespannt auf weitere tolle Beispiele!

 

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